Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Beschwerde gegen Ablehnung eines Prozesskostenhilfegesuchs durch Strafvollstreckungskammer im StVollzG-Verfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Ist der Beschuldigte im laufenden Strafverfahren einer gefährlichen Körperverletzung dringend verdächtig, so kann auch ein früher vom Beschuldigten begangener (und bereits abgeurteilter) Totschlag die Wiederholungsgefahr i.S.v. § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO begründen, wenn eine gefährliche Körperverletzung Durchgangsstadium zum Tötungsdelikt war. Dies gilt auch dann, wenn zwischen den Taten mehr als sechs Jahre liegen. Eine feste zeitliche Grenze, die die Wiederholungsgefahr zwingend entfallen ließe, gibt es nicht.
2. Um die Wiederholungsgefahr zu begründen, muss der Beschuldigte der Katalogtaten mindestens dringend verdächtig sein. Sind nicht alle Taten, die für die Feststellung der Wiederholungsgefahr von Bedeutung sind, Gegenstand des Verfahrens, in dem der Haftbefehl erlassen werden soll, so muss das über die Haftfrage entscheidende Gericht den dringenden Tatverdacht bzgl. der verfahrensfremden Taten eigenverantwortlich prüfen. Es ist nicht angängig, die Verneinung dringenden Tatverdachts wegen der nicht verfahrensgegenständlichen Taten allein damit zu begründen, dass ein anderes Gericht oder ein anderer Spruchkörper diesen bisher nicht bejaht habe.
3. Bei den Anlasstaten im Sinne von § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO muss es sich um die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Taten handeln. Hierbei muss es sich, da die Katalogtaten ohnehin schon schwerwiegende Taten sind, um solche handeln, die einen überdurchschnittlichen Schweregrad aufweisen. Beurteilungsmaßstab hierfür ist insbesondere der Unrechtsgehalt der Tat, welcher sich anhand der Kriterien, die auch bei der Strafzumessung eine Rolle spielen, festgestellt werden kann.
Leitsatz (redaktionell)
Im Verfahren nach dem StVollzG ist eine Beschwerde gegen die Ablehnung eines Prozesskostenhilfegesuchs durch die Strafvollstreckungskammer nicht zulässig.
Normenkette
StVollzG § 120 Abs. 2; ZPO § 127 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen II StVK 172/12) |
Tenor
1.
Die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Prozesskostenhilfegesuchs in dem Verfahren vor dem Landgericht wird als unzulässig verworfen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
2.
Die sofortige Rechtsbeschwerde gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last.
Gründe
1.
Die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Prozesskostenhilfegesuchs ist bereits unzulässig, da die Ablehnung des Antrages auf Prozesskostenhilfe unanfechtbar ist. Dies ergab sich früher aus § 120 Abs. 2 StVollzG i.V.m.
§§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 Abs. 3, 4 ZPO a.F. Auch nach der Reform der ZPO gilt nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO, dass - jedenfalls soweit es um die Erfolgsaussichten geht - der Rechtszug in der Nebensache Prozesskostenhilfe nicht weiter geht als in der Hauptsache. Das Rechtsbeschwerdegericht in Strafvollzugssachen ist - und darauf kommt es an - keine Tatsacheninstanz und hat daher auch nicht die Erfolgsaussichten eines Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die erste Instanz zu prüfen (OLG Hamburg, Beschl. v. 24.02.2006 - 3 Vollz(Ws) 25/06;
OLG Naumburg, Beschl. v. 09.09.2003 - 1 Ws 275/03; AK-StVollzG-Kamann/Spaniol
6. Aufl. § 120 Rdn. 17).
2.
Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist jedenfalls unbegründet. Da das Landgericht den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen hat, waren dem Betroffenen nach § 121 Abs. 2 StVollzG die Kosten aufzuerlegen. Ob das Rechtsmittel auch unzulässig gewesen wäre, weil eine Anfechtung der Hauptentscheidung nicht möglich gewesen wäre (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 08.11.1996 - 2 Ws 699/12) kann daher dahinstehen.
Die Kostenfolge ergibt sich insoweit aus § 121 Abs. 2 StVollzG.
Fundstellen