Entscheidungsstichwort (Thema)

Strafzumessung. "Binnendifferenzierung" bei der Bildung von Einzelstrafen

 

Leitsatz (amtlich)

Unter dem Gesichtspunkt der angemessenen, dem jeweiligen Gewicht der Taten Rechnung tragenden "Binnendifferenzierung" bei der Bildung von Einzelstrafen bedarf es regelmäßig einer nachvollziehbaren Begründung, wenn bei diesbezüglich praktisch identischen Strafzumessungserwägungen für zwei ähnlich gelagerte Straftaten erheblich voneinander abweichende Einzelstrafen verhängt werden sollen. Der bloße Hinweis des Berufungsgerichts, dass es durch das Schlechterstellungsverbot (§ 331 StPO) an einer Erhöhung der milderen Einzelstrafe gewesen sei, genügt den diesbezüglichen Anforderungen nicht ohne Weiteres.

 

Normenkette

StGB § 46

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 38 Ns 88/17)

AG Dortmund (Entscheidung vom 08.12.2017; Aktenzeichen 744 Ds 102 Js 192/17 (580/17))

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird hinsichtlich der Tat vom 23.02.2017 im Strafausspruch sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird mit der klarstellenden Maßgabe verworfen, dass mit dem angefochtenen Urteil auch die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 08.12.2017 - 744 Ds 102 Js 192/17 (580/17) - verworfen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Dortmund hat die Angeklagte am 20.07.2017 wegen gefährlicher Körperverletzung und Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie am 08.12.2017 wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Monaten und zwei Wochen verurteilt. Nach Verbindung der diesbezüglichen Verfahren hat das Landgericht - wie sich eindeutig aus den Gründen des angefochtenen Urteils, aber nicht aus dem Urteilskopf oder dem daher vom Senat korrigierten Tenor ergibt - die beiden gegen diese Urteile eingelegten Berufungen der Angeklagten mit der Maßgabe verworfen, dass die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Diebstahls in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat verurteilt und ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist.

Gegen das Urteil des Landgerichts wendet sich die Angeklagte mit der Revision, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Revision der Angeklagten ist zulässig und hat im Hinblick auf den Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der Tat vom 23.02.2017 sowie bezüglich der Gesamtstrafe - im Übrigen ist die Revision offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO - vorläufig Erfolg. Im Umfang der Aufhebung war die Sache nach § 354 Abs. 2 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen.

1.

Denn die Strafzumessung hinsichtlich des Diebstahls vom 23.02.2017, bei dem die Angeklagte in einer L-Filiale sechs Flaschen Whiskey zum Gesamtverkaufspreis von 133,86 Euro in eine mitgeführte Umhängetasche einsteckte, jedoch nach dem Verlassen der dortigen Lebensmittelabteilung gestellt wurde, erscheint im Vergleich zum Diebstahl vom 04.03.2017, bei dem sie in einer Filiale von "H L2" den Auslagen zwei Behältnisse mit Parfüm zum Gesamtverkaufspreis von 184,98 Euro entnahm und nach dem Verlassen des Geschäfts festgesetzt werden konnte, unter dem Gesichtspunkt der "Binnendifferenzierung" bei der Bildung der Einzelstrafen nicht hinreichend nachvollziehbar begründet (vgl. Senat, Beschluss vom 25.09.2017 - III-1 RVs 78/17 -, juris; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 46 Rn. 148). Denn die erste Tat hat das Landgericht mit einer Einzelstrafe von fünf Monaten geahndet, obwohl insofern - bei für beide Taten erfolgter Strafrahmenverschiebung nach den §§ 21, 49 StGB sowie im Übrigen praktisch identischen Strafzumessungserwägungen - im Verhältnis zur zweiten, mit lediglich drei Monaten geahndeten Tat zugunsten der Angeklagten nicht nur eine geringere Tatbeute, sondern auch ein (wenn auch recht spät und bei ohnehin ungünstiger Beweislage erfolgtes) Geständnis der Angeklagten in Ansatz zu bringen waren.

Im Übrigen erscheint dem Senat die Höhe der für die Tat vom 23.02.2017 verhängten Einzelstrafe auch unter dem Gesichtspunkt des Übermaßverbots rechtlich bedenklich, da dem Umstand, dass die vielfach und einschlägig vorbestrafte Angeklagte diese Tat letztlich unbeeindruckt von früheren Inhaftierungen, einer laufenden Bewährung und einer tags zuvor erfolgten anderweitigen polizeilichen Beschuldigtenvernehmung begangen hat, auch gewichtige Aspekte gegenüberstehen, welche die Tat in einem etwas milderen Licht erscheinen lassen. Denn neben der auf die §§ 21, 49 StGB gestützten Strafrahmenv...

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