Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafzumessung. Binnendifferenzierung. Folgen der Tat. Gesamtstrafe. Gesamtstrafübel. Untersuchungshaft. Teilrechtskraft
Leitsatz (amtlich)
1. Unter dem Gesichtspunkt der Binnendifferenzierung ist eine besonders eingehende und nachvollziehbare Begründung dafür erforderlich, wenn trotz deutlich unterschiedlicher Tatbeute bzw. zusätzlich erschwerender Tatfolgen gleiche Strafen verhängt werden (hier Einbruchsdiebstähle mit einer Tatbeute i.H.v. 174,00 € bzw. von 784,86 € nebst Sachschaden von 7.651,00 €).
2. Nötigt eine Zäsurwirkung einer einzubeziehenden Entscheidung zur Bildung mehrerer Gesamtstrafen, muss das Gericht einen sich daraus möglicherweise für den Angeklagten ergebenden Nachteil infolge eines zu hohen Gesamtstrafübels ausgleichen. Es muss darlegen, dass es sich dieser Sachlage bewusst gewesen ist, und erkennen lassen, dass es das Gesamtmaß der Strafen für angemessen gehalten hat.
3. Auch infolge einer Teilrechtskraft eines Urteils geht die bis dahin gegen den Angeklagten vollzogene Untersuchungshaft ohne Rücksicht auf eine förmliche Einleitung des Strafvollzuges durch die Strafvollstreckungsbehörde unmittelbar in Strafhaft über, wenn die Strafe einer Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 StGB nicht zugänglich ist (Anschluss an OLG Hamm, Beschluss vom 02. April 2009 zu 3 Ws 104/09, zitiert nach juris Rn. 6 ff. und OLG Hamm, Beschluss vom 17. Januar 2012 zu III-3 Ws 14/12, zitiert nach juris Rn. 21).
Normenkette
StGB § 46; StPO § 112
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 48 Ns 22/20) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird hinsichtlich der im Zeitraum vom 12. Februar 2019 bis zum 13. Februar 2019 begangenen Tat ("Fall 4") im Ausspruch über die Einzelstrafe, darüber hinaus im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren und acht Monaten (1. Gesamtfreiheitsstrafe) und betreffend die Maßregelanordnung der isolierten Sperrfrist mit einer Dauer von fünf Jahren mit den insoweit jeweils zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO).
Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 StPO).
Die Haftbeschwerde ist gegenstandslos.
Gründe
I.
Der Angeklagte befindet sich nach seiner vorläufigen Festnahme am 31. Januar 2020 seit diesem Tag ununterbrochen in Untersuchungshaft in der JVA Hamm, und zwar zunächst auf Grundlage des Haftbefehls des Amtsgerichts - Ermittlungsrichter - Hamm vom selben Tage (Az. 11 Gs 103/20), mittlerweile aufgrund des Haftbefehls der 48. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 18. Dezember 2020.
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Hamm (im Weiteren: Schöffengericht Hamm) hat den Angeklagten mit Urteil vom 01. Juli 2020 (Az.: 9 Ls 83/20) im Rahmen einer gebrochenen Gesamtstrafe zum einen wegen Diebstahls in zwei Fällen und versuchten Diebstahls in zwei Fällen unter Einbeziehung der durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Hamm vom 22. März 2019 (Az.: 53 Ds 816/18) verhängten Freiheitsstrafe in Höhe von sechs Monaten wegen eines am 17. September 2018 begangenen (Laden-)Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren und acht Monaten (1. Gesamtfreiheitsstrafe), zum anderen wegen Diebstahls in einem weiteren Fall und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sechs Fällen zu einer (weiteren) Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren und einem Monat verurteilt (2. Gesamtfreiheitsstrafe). Zudem hat das Schöffengericht Hamm die Einziehung eines Betrages in Höhe von 1.701,58 € als Wertersatz der Taterträge und zudem eine isolierte Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis von fünf Jahren angeordnet.
Mit dem angefochtenen Urteil hat die 48. kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund (im Folgenden: Strafkammer) sowohl die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft Dortmund als auch die Berufung des Angeklagten, die dieser in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft in Bezug auf sämtliche Taten des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hatte, als unbegründet verworfen.
Nach den landgerichtlichen Feststellungen durchtrennte der Angeklagte zwischen dem 15. und dem 16. September 2018 den das Grundstück der Fa. W GmbH in I umfriedenden Maschendrahtzaun, gelangte nach Aufhebeln eines Fensters in die dortigen Geschäftsräume, fand indes keine Beute, sondern entnahm aus einem Kühlschrank lediglich eine Flasche Bier, die er ausleerte und in Tatortnähe wegwarf ("Fall 1"). Insoweit hat die Strafkammer eine Einzelstrafe in Höhe von einem Jahr festgesetzt.
Am 07. Dezember 2018 gegen 02:30 Uhr versuchte der Angeklagte nach den Feststellungen der Strafkammer zunächst vergeblich, eine Terrassentür des Gebäudekomplexes des AB in I aufzuhebeln...