Entscheidungsstichwort (Thema)
Erörterungsmangel bei Anhaltspunkten für eine alkoholbedingt verminderte Steuerungsfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die ausdrückliche Erörterung einer etwaigen Strafmilderung nach den §§ 21, 49 StGB ist insbesondere dann geboten, wenn bei der Aburteilung einer von einem seit Jahrzehnten übermäßig Alkohol konsumierenden Angeklagten begangenen Diebstahlsserie, die sich ganz überwiegend auf die Wegnahme von Alkoholika bezieht, Einzelstrafen hinsichtlich im selben Tatzeitraum begangener, weitgehend gleichgelagerter Taten einzubeziehen sind, die der Angeklagte ausweislich der früheren Verurteilung "in allen Fällen aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit im Zustand der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit" begangen hat.
Normenkette
StGB § 21 Abs. 1, § 49 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 45 Ns 56/17) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Strafausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Dortmund hat den Angeklagten am 17.01.2017 wegen "Diebstahls geringwertiger Sachen" in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Dieses Urteil hat das Landgericht auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten, die nachträglich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt wurde (wobei die Nichtanordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB von dem Berufungsangriff ausgenommen wurde), mit Urteil vom 24.05.2017 unter Verwerfung der Berufung im Übrigen dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen Diebstahls in neun Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 23.03.2017 - 78 Ls 621 s 158/16 - 149/16) und unter Auflösung der dortigen Gesamtfreiheitsstrafe zu einer neuen Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt wurde.
Gegen das Urteil des Landgerichts wendet sich der Angeklagte mit der Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, eine - nicht näher ausgeführte - Verfahrensrüge erhebt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer zurückzuverweisen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Revision des Angeklagten ist zulässig und hat im Hinblick auf den Rechtsfolgenausspruch - im Übrigen ist die Revision offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO - vorläufig Erfolg. Im Umfang der Aufhebung war die Sache nach § 354 Abs. 2 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen.
Hinsichtlich sämtlicher vom Landgericht verhängten Einzelstrafen leidet das Urteil an einem auf die allgemeinen Sachrüge hin zu beachtenden Erörterungsmangel, insofern es das Landgericht - ungeachtet eines vorliegend sicheren Ausschlusses einer etwaigen Schuldunfähigkeit - rechtsfehlerhaft unterlassen hat, in ausreichendem Maße Feststellungen zu einer möglicherweise erheblich verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB zu treffen:
Nach den vom Landgericht zutreffend als bindend angesehenen Feststellungen des Amtsgerichts Dortmund vom 17.01.2017 zu den im vorliegenden Verfahren erstmals abgeurteilten Taten hat der Angeklagte, dessen Leben in der Bochumer Trinkerszene - abgesehen von mehrmaligen Inhaftierungen und einer im Juni 2005 für erledigt erklärten Unterbringung gemäß § 64 StGB - nach den weiteren Feststellungen der Kammer seit Jahrzehnten vorwiegend von Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit und übermäßigem Alkoholkonsum bestimmt ist, nach seiner am 23.06.2016 erfolgten letzten Entlassung aus dem Strafvollzug im Zeitraum vom 27.06.2016 bis zum 26.09.2016 bei acht Gelegenheiten in verschiedenen Geschäften Bierflaschen oder -dosen und in einem weiteren Fall Süßigkeiten entwendet, wobei der Wert der jeweiligen Tatbeute zwischen 0,87 € und 5,20 € lag.
Den nachträglich einbezogenen Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 23.03.2017 lag - wie sich dem Urteil des Landgerichts entnehmen lässt - zugrunde, dass der Angeklagte in der Zeit vom 10.08.2016 bis zum 27.09.2016 bei vier weiteren Gelegenheiten Lebensmittel und/oder Alkohol entwendete und bei einer dieser Taten Mitarbeitern der betroffenen Aldi-Filiale anschließend Schläge androhte, um diese dazu zu bewegen, ihn noch vor dem Eintreffen der Polizei gehen zu lassen. Dabei handelte der Angeklagte - so die im vorliegend angefochtenen Urteil zitierten Feststellungen des Amtsgerichts Bochum - "in allen Fällen aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit im Zustand der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit".
Unter Berücksichtigung dieser Feststellung zu weitgehend gleichgelagerten und sämtlich innerhalb des...