Entscheidungsstichwort (Thema)
Überstellung eines Verurteilten in sein Heimatland zur Vollstreckung. Ausweisungsverfügung
Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 ZP-Überstübk; Entbehrlichkeit einer erneuten Ausweisungsverfügung infolge der der Verurteilung zugrunde liegenden Tat beim Festhalten an einer bereits bestehenden Ausweisungsverfügung nach sachlicher Prüfung.
Normenkette
IRG § 71 Abs. 4; ÜberstÜbk Art. 3; ZP-Überstübk Art. 3 Abs. 1
Tenor
Die Vollstreckung des noch nicht verbüßten Strafrestes der gegen den polnischen Staatsangehörigen T, geboren am xx. Februar 19xx in H/Polen, durch Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 18. Dezember 2013 (Az.: 9 KLs 676 Js 154/13 (13/13)), rechtskräftig seit dem 22. Mai 2014, wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verhängten "Gesamt"-Freiheitsstrafe von sechs Jahren in Polen, wird für zulässig erklärt.
Gründe
I.
Das Landgericht Bielefeld hat den Verurteilten mit Urteil vom 18. Dezember 2013 (Az.: 9 KLs 676 Js 154/13 (13/13)), rechtskräftig seit dem 22. Mai 2014, wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer als "Gesamtfreiheitsstrafe" bezeichneten Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegenstand der Verurteilung ist ein mittäterschaftlich begangener Raubüberfall auf die Filiale der Sparkasse in xxxxx S, begangen in der Nacht vom 11. auf den 12. Dezember 2012.
Der Verurteilte ist in jener Sache aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Bielefeld vom 26. März 2013 (9 Gs 601 Js 288/13 - 1704/13) sowie des Europäischen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 16. April 2013 (Az.: 216 AR 136/13) am 24. Mai 2013 in H/Polen festgenommen und am 12. Juni 2013 nach Deutschland überstellt worden und befand sich seit jenem Tag für jenes Verfahren in Untersuchungshaft.
Seit dem 22. Mai 2014 wird die gegen den Verurteilten vom Landgericht Bielefeld verhängte Freiheitsstrafe von sechs Jahren vollstreckt. Wegen Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft werden zwei Drittel der Freiheitsstrafe am 23. Mai 2017 verbüßt sein. Das Strafende ist auf den 23. Mai 2019 datiert.
Wegen bereits früher von dem Verurteilten auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland begangener Straftaten war bereits mit Verfügung des Oberbürgermeisters der Stadt Bielefeld vom 24. Februar 2009 (Aktenzeichen: 150.32) gemäß § 6 Abs. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU-FreizügG/EU) der Verlust des Rechtes des Verurteilten auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung festgestellt worden. Der Bescheid ist unanfechtbar und auf den 4. Januar 2022 befristet.
Gleichzeitig war dem Verurteilten die zwangsweise Abschiebung - schon damals aus der Haft heraus - in sein Heimatland Polen angedroht worden. Diese Entscheidung der Verwaltungsbehörde war auf die rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen durch das Amtsgericht Mainz vom 4. Juli 1995 wegen gemeinschaftlichen Inverkehrbringens von Falschgeld, durch das Landgericht Detmold vom 11. Februar 2002 wegen Diebstahls in 16 Fällen, wegen Beihilfe zum Bandendiebstahl in zwei Fällen, Hehlerei, Urkundenfälschung und versuchter Bandenhehlerei sowie durch das Amtsgericht Hamburg-Altona vom 27. August 2008 wegen Hehlerei gestützt.
Im Hinblick auf die strafrechtliche Verurteilung durch Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 18. Dezember 2013 hat der Oberbürgermeister der Stadt Bielefeld mit Bescheid vom 30. Juli 2014 (Az. 150.32) die Abschiebung des Verurteilten nach Polen ohne Fristsetzung unmittelbar aus der Haft heraus angeordnet und zur Begründung ausgeführt, dass der Verurteilte aufgrund unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet vollziehbar ausreisepflichtig gemäß § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU) sei. Weiter ist in jenem Bescheid ausgeführt, dass der Verurteilte zuvor mit Schreiben des Oberbürgermeisters der Stadt Bielefeld darauf hingewiesen worden sei, dass "aufgrund der vorstehenden Verurteilung" beabsichtigt sei, ihm die Abschiebung anzudrohen.
Im Hinblick auf die von der Staatsanwaltschaft Bielefeld beabsichtigte Überstellung des Verurteilten in sein Heimatland zur Vollstreckung des Restes der durch das Landgericht Bielefeld verhängten (Gesamt-)Freiheitsstrafe ist ihm Gelegenheit zur mündlichen Äußerung gegeben worden. In der durch das Amtsgericht Bielefeld (Az. 23 AR 62/14) am 4. September 2014 durchgeführten Anhörung hat sich der Verurteilte mit der Überstellung nach Polen nicht einverstanden erklärt und darüber hinaus angegeben, er beabsichtige, in der Justizvollzugsanstalt H eine Ausbildung zu machen, die für ihn von grundlegender Bedeutung sei. Eine Fortsetzung der Strafvollstreckung in Polen würde außerdem zu schweren gesundheitlichen Problemen bei ihm führen, weil er strikter Nichtraucher sei und Probleme mit der Atmung habe. In Polen gebe es aber keine Trennung zwischen Rauchern und Nichtrauc...