Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Überstellung zur weiteren Vollstreckung bei vorausgegangener Auslieferung unter Rücklieferungsvorbehalt.
Leitsatz (amtlich)
Soll die Rücklieferung des unter Rücklieferungsvorbehalt an die Bundesrepublik Deutschland ausgelieferten und nachfolgend durch inländisches Urteil rechtskräftig Verurteilten mit der Abgabe der Vollstreckung der freiheitsentziehenden Sanktion an dem Heimatstaat des Verurteilten verbunden werden, so richten sich die Voraussetzungen und das Verfahren hierfür nicht nach § 68 IRG, sondern nach § 71 IRG und den zur Vollstreckungsübernahme bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen, insbesonders dem ÜberstÜbk samt Zusatzprotokoll.
Normenkette
IRG § 71 Abs. 4; UAG § 2 Abs. 2; ÜberstÜbk Art. 3; IRG § 68
Tenor
Die Vollstreckung des noch nicht verbüßten oder durch Anrechnung von Haftzeiten erledigten Strafrestes der gegen den rumänischen Staatsangehörigen D, geboren am ##.B #### in C/Rumänien,
durch Urteil des Landgerichts Münster vom 21. September 2012 (Az.: 21 KLs 42 Js 238/98 (21/12)) - rechtskräftig seit dem 21. September 2012 - wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren in Rumänien wird für zulässig erklärt.
Gründe
I.
Der Verurteilte ist rumänischer Staatsangehöriger.
Er war am 8. Juni 2012 auf deutsches Ersuchen (Europäischer Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Münster vom 27. Januar 2005, Az.: 42 Js 238/98) von Rumänien an die Bundesrepublik Deutschland zur Strafverfolgung ohne Verzicht auf den Grundsatz der Spezialität ausgeliefert worden. Dabei stellt der die Auslieferung bewilligende Beschluss des Berufungsgerichts B/ Rumänien vom 29. Mai 2012 (Az.: 501/57/2012) die Auslieferung unter die Bedingung, dass, wenn in dem deutschen Strafverfahren eine freiheitsentziehende Maßnahme beschlossen werden sollte, der Verurteilte zur Verbüßung der Strafe nach Rumänien rücküberstellt werde.
Der Verurteilte ist in dem Strafverfahren, zu dessen Durchführung er ausgeliefert worden war, durch Urteil des Landgerichts Münster vom 21. September 2012 (Az.: 12 Kls 42 Js 238/98 (21/12)) rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden.
Mit bestandskräftiger Ordnungsverfügung des Kreises Soest als Ausländerbehörde vom 20. April 2013 hat der Verurteilte das Recht auf Einreise und Aufenthalt für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 6 Abs. 1 FreizügG/EU verloren.
Der Verurteilte ist zu der beabsichtigten Rücküberstellung zur (weiteren) Vollstrekkung nach Rumänien angehört worden und hat dieser widersprochen.
Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Werl hat in seiner Stellungnahme vom 12. August 2013 ausgeführt, dass der Verurteilte in Deutschland über keine sozialen Beziehungen verfüge und Besuche nur von einem Mittäter erhalten habe.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat mit Zuschrift vom 21. Oktober 2013 beantragt, die weitere Vollstreckung der durch Urteil des Landgerichts Münster vom 21. September 2012 verhängten Freiheitsstrafe in Rumänien für zulässig zu erklären. Der Beistand des Verurteilten ist diesem Antrag mit Schriftsatz vom 4. November 2013 entgegengetreten.
II.
Die weitere Vollstreckung der durch Urteil des Landgerichts Münster vom 21. September 2012 gegen den Verfolgten verhängten Freiheitsstrafe in Rumänien war antragsgemäß für zulässig zu erklären.
1.
Die gerichtliche Zulässigerklärung ist hier gemäß §§ 2 Abs. 2 Überstellungsausführungsgesetz (ÜAG), 71 Abs. 4 IRG erforderlich, da die Vollstreckungsübernahme auf Art. 3 Abs. 1 des Zusatzprotokolls vom 18. Dezember 1997 zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen (ZP-ÜberstÜbk) gestützt wird.
Soweit der Senat in anderer Sache mit Beschluss vom 23. Mai 2013 (Az.: 2 Ausl 66/13) die Auffassung vertreten hatte, dass in den Fällen der Rück-Überstellung eines in Deutschland verurteilten Straftäters zur Vollstreckung dieser Strafe an denjenigen ausländischen Staat, der den Verurteilten zuvor zur Strafverfolgung an Deutschland unter der Bedingung der Rück-Überstellung ausgeliefert hatte, § 68 IRG eine vorrangige Spezialregelung auch hinsichtlich der Frage der Notwendigkeit einer gerichtlichen Zulässigerklärung der Vollstreckungsabgabe enthalte, wird hieran nicht festgehalten. Denn der Regelungsbereich des § 68 IRG geht nicht über die bloße Rücklieferung, also die körperliche Verbringung, in den Heimatstaat hinaus. Diese Rücklieferung ist nicht zwingend mit der Abgabe der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder sonstigen freiheitsbeschränkenden Maßregel an den Heimatstaat verbunden (so beispielsweise wenn das deutsche Strafverfahren nicht zur Verhängung einer solchen Strafe oder Maßregel geführt hat). Soll die Rücklieferung zusätzlich mit der Abgabe der (weiteren) Vollstreckung einer in Deutschland verhängten Freiheitsstrafe an den Heimatstaat verbunden werden, so richten sich die Voraussetzungen und das Verfahren diese...