Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung des bedarfsprägenden Einkommens
Leitsatz (redaktionell)
Soweit das bedarfsprägende Einkommen des Unterhaltspflichtigen in nachvollziehbarer und vertretbarer Weise vom Unterhaltsgläubiger geschätzt wird, reicht dies zur Bejahung der hinreichenden Erfolgsaussicht des hierauf gestützten Klagebegehrens aus, solange der Unterhaltsschuldner, der zuvor erfolglos auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen worden ist, dieser Behauptung nicht mit substantiiertem Bestreiten entgegengetreten ist.
Normenkette
BGB § 1578; ZPO § 138 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Gütersloh (Beschluss vom 21.01.2005; Aktenzeichen 16 F 824/04) |
Tenor
In der Familiensache wird der Beschluss des AG - FamG - Gütersloh vom 21.1.2005 auf die Beschwerde des Beklagten abgeändert. Der Antragstellerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. in Bielefeld Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sie ab Juni 2004 monatlich 340 EUR und ab Oktober 2004 monatlich 641 EUR nachehelichen Unterhalt begehrt.
Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Eine Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird nicht erhoben.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO statthafte sowie frist- und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.
Das FamG hat zu hohe Anforderungen an die Darlegungspflicht der Antragstellerin hinsichtlich des Einkommens des Antragsgegners bei der Bestimmung des Unterhaltsbedarfs gestellt. Die Antragstellerin kann auch nicht auf die Erhebung einer Auskunftsklage verwiesen werden, nachdem der Antragsgegner die von ihr zu Recht verlangte Auskunft nicht erteilt hat. Es reicht vielmehr aus, wenn die Antragstellerin das Einkommen des Antragsgegners in nachvollziehbarer und vertretbarer Weise schätzt (BGH v. 15.10.1986 - IVb ZR 78/85, MDR 1987, 302 = FamRZ 1987, 259; OLG Hamm NJW-RR 1991, 1281). Dem Antragsgegner obliegt es dann im Rahmen eines Unterhaltsrechtsstreits, die Behauptung der Antragsstellerin substantiiert zu bestreiten, wenn er nicht die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO gegen sich gelten lassen will. Unter diesen Umständen kommt die Antragstellerin ihrer Darlegungslast nach, wenn sie behauptet, der Antragsgegner erziele weiterhin das Einkommen, das in der ... vom 5.9.2000 zugrunde gelegt wurde, in der zwischen den Parteien getroffenen Unterhaltsvereinbarung vom 5.9.2000, in welcher der Antragsgegner sich verpflichtete, für die Dauer von drei Jahren ab Rechtskraft der Scheidung monatlich 1.500 DM Unterhalt an die Antragstellerin zu zahlen. Die bisherige Erwiderung des Antragsgegners hierauf erschöpft sich in einem allgemein gehaltenen Verweis auf die schlechte Situation auf dem Automobilmarkt. Ein substantiiertes Bestreiten ist hierin nicht zu sehen. Hierzu wäre vielmehr die Darlegung seines Einkommens ähnlich wie im Rahmen einer Auskunftserteilung erforderlich. Soweit der Antragsgegner im weiteren Verlauf des Verfahrens seine Behauptung, sein Einkommen sei ggü. dem Jahr 2000 erheblich gesunken, belegen und hiermit die Antragstellerin zu einer Beschränkung ihrer Klage veranlassen sollte, besteht aufgrund der Regelung des § 93d ZPO kein Kostenrisiko für die Antragstellerin. Ihre Rechtsverfolgung unter Verzicht auf eine vorherige Auskunftsklage ist daher auch nicht mutwillig i.S.d. § 114 ZPO.
Bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht des Unterhaltsbegehrens kann daher ohne weiteres auf das von der Antragstellerin behauptete Einkommen abgestellt werden. Unzureichend sind dagegen die Ausführungen der Antragstellerin zu ihren Bemühungen um eine Beschäftigung, die vom Umfang her deutlich über die bisherige Erwerbstätigkeit, mit der sie monatlich 360 EUR verdient, hinausgeht. Da jegliche Konkretisierung, die eine Überprüfung ihrer Angaben ermöglicht, fehlt, ist der Antragstellerin ein fiktives Einkommen zuzurechnen. Das in ihrer Berechnungsalternative in der Beschwerdebegründung zugrunde gelegte fiktive Einkommen aus einer vollschichtigen Beschäftigung von monatlich 782,42 EUR hält der Senat im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens für angemessen, so dass das bei dieser Berechnung ermittelte Ergebnis eines Unterhaltsanspruchs von monatlich 640,50 EUR bzw. gerundet 641 EUR für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe maßgebend ist. Hinsichtlich des rückständigen Unterhalts i.S.d. § 42 Abs. 5 GKG (Juni-September 2004) waren die unstreitig vom Antragsgegner erbrachten Unterhaltsleistungen von monatlich 285 EUR (148 EUR + 137 EUR) von dem Unterhaltsbetrag abzusetzen. Für den laufenden Unterhalt sind die erbrachten Unterhaltsleistungen für den Streitwert und damit für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Bedeutung. Eine Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung ist auch hier zu verneinen, da der Antragsgegner Klageabweisung begehrt und offensichtlich auch nicht zu einem teilweisen Anerkenntnis des Klageanspruchs bereit ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1523067 |
FamRZ 2006, 44 |
OLGR-Mitte 2006, 505 |