Verfahrensgang
LG Essen (Entscheidung vom 16.04.2007; Aktenzeichen 29 Ns 78/06) |
StA Essen (Aktenzeichen 17 Js 225/06) |
GStA Hamm (Aktenzeichen 3 AR 1239/07) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Dem Angeklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung vom 15.01.2007 gewährt.
Von der Erhebung von Gerichtskosten wird hinsichtlich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 21 Abs. 1 GKG abgesehen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Essen vom 23.06.2006 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 EUR verurteilt. Gegen dieses Urteil wandte sich der Angeklagte mit seiner rechtzeitig durch Schriftsatz seines damaligen Verteidigers vom 26.06.2006 eingelegten und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Berufung. Der Vorsitzende der Strafkammer des Landgerichts bestimmte am 26.09.2006 einen Termin zur Berufungshauptverhandlung auf den 15.01.2007. Zu diesem Termin wurde der Angeklagte unter der Anschrift M-Straße in .... C mittels Ersatzzustellung durch Einlegung des Schriftstücks in den Briefkasten am 31.10.2006 geladen.
Zu dem Termin zur Berufungshauptverhandlung erschien der Angeklagte nicht, sondern lediglich sein damaliger Verteidiger. Durch Urteil vom 15.01.2007 hat die IX. kleine Strafkammer des Landgerichts Essen die Berufung des Angeklagten gemäß § 329 Abs. 1 StPO mit der Begründung verworfen, der Angeklagte sei ungeachtet der durch Urkunde vom 31.10.2006 nachgewiesenen Ladung zu dem Hauptverhandlungstermin unentschuldigt nicht erschienen. Nach Zustellung dieses Urteil hat der Angeklagte durch Schreiben vom 04.03.2007 privatschriftlich vorgetragen, er habe zur Berufungshauptverhandlung nicht erscheinen können, weil er ein Auslandssemester in den USA absolviert habe. Auf gerichtliche Aufforderung hat er die Kopie einer Bescheinigung der Universität aus T vom 16.01.2007 vorgelegt, wonach er vom 24.08.2006 bis 16.12.2006 dort studiert hat. Zugleich hat der Angeklagte vorgetragen, er habe sich noch einige Zeit in den USA aufgehalten, um u.a. Hausarbeiten zu korrigieren. Erst danach sei er nach Deutschland zurückgeflogen, was durch eine Kopie des Rückflugtickets eines Fluges am 01.02.2007 belegt werde.
Die Vorsitzende der IX. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen hat durch den angefochtenen Beschluss vom 16.04.2007 den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, der Angeklagte habe nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, zum Termin zur Hauptverhandlung zu erscheinen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Angeklagte mit seiner am 29.05.2007 eingegangenen sofortigen Beschwerde.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 329 Abs. 3, 46 Abs. 3 StPO statthaft und fristgerecht (§ 311 Abs. 2 StPO) von dem Angeklagten eingelegt worden. Sie ist auch begründet.
Der Angeklagte war zu dem Termin zur Berufungshauptverhandlung vor dem Landgericht Essen am 15.01.2007 nicht ordnungsgemäß geladen. Insofern ist anerkannt, dass der nicht oder nicht ordnungsgemäß Geladene dem Säumigen i.S.v. § 44 StPO gleichzusetzen ist und ihm ohne Rücksicht auf ein Verschulden Wiedereinsetzung zu gewähren ist, wenn das Gericht das Fehlen oder die Unwirksamkeit der Ladung nicht gesehen hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Auflage, § 329 Rdnr. 41).
Die Ersatzzustellung der Ladung zum Hauptverhandlungstermin am 31.10.2006 war unwirksam. Der Angeklagte hat durch die Vorlage von Kopien einer Studienbescheinigung und des Rückflugtickets hinreichend glaubhaft gemacht, dass er im Zeitpunkt der Zustellung (31.10.2006) unter der Anschrift M-Straße in .... C nicht wohnhaft war.
Die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung gemäß §§ 37 Abs. 1 StPO, 180 ZPO ist grundsätzlich nur dann gegeben, wenn diese durch Einlegung in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten erfolgt. Grundsätzlich gilt als Wohnung der räumliche Lebensmittelpunkt des Zustellungsempfängers, wobei maßgeblich ist, ob er hauptsächlich in den Räumen lebt und insbesondere dort schläft (BGH, NJW 78, 1858). Unerheblich ist es demgegenüber, ob der Zustellungsempfänger in dieser Wohnung polizeilich gemeldet ist (vgl. Meyer-Goßner a.a.O., § 37 Rdnr. 8 m.w.N.). Hat der Zustellungsempfänger die Räume in dieser Weise genutzt, hebt nicht jede vorübergehende Abwesenheit, selbst wenn sie länger dauert, die Eigenschaft jener Räume als Wohnung auf (BGH a.a.O.). Insbesondere eine bloß urlaubsbedingte oder beruflich bedingte und zeitlich begrenzte Abwesenheit führt nicht zu einer Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts bzw. des Lebensmittelpunktes des Zustellungsempfängers. Etwas anderes gilt aber dann, wenn sich während der Abwesenheit des Zustellungsempfängers auch der räumliche Mittelpunkt seines Lebens an den neuen Aufenthaltsort verlagert. Eine...