Leitsatz (amtlich)
Das für den Arbeitnehmer geltende Verbot der Kündigung des Versicherungsvertrages bzw. der Inanspruchnahme des aus Arbeitgeberbeiträgen gebildeten Rückkaufswertes aus § 2 Abs. 2 Satz 5,6 BetrAVG bindet bis zum Eintritt des Versicherungsfalles auch den Insolvenzverwalter
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 25.10.2012; Aktenzeichen 115 O 113/12) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 25.10.2012 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Das angefochtene Urteil sowie der Zurückweisungsbeschluss werden für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung erklärt. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt bis zu 30.000 EUR.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Versicherten im Wege der Stufenklage auf Auskunft über die Höhe des Rückkaufwertes eines Lebensversicherungsvertrages sowie auf entsprechende Auszahlung in Anspruch.
Der Versicherungsvertrag war zum 1.12.1996 als Direktlebensversicherung vom ehemaligen Arbeitgeber des Versicherten zur betrieblichen Altersversorgung abgeschlossen und ausschließlich über entsprechende Arbeitgeberbeiträge bedient worden. Die Versicherungsleistung sollte erstmals nach Erreichen des 60. Lebensjahres des Versicherten abrufbar und nach Erreichen des 65. Lebensjahres fällig sein. Nach Ausscheiden des Versicherten aus dem Arbeitsverhältnis wurde dieser Versicherungsnehmer. Ausweislich des darauf ausgestellten Nachtrags zum Versicherungsschein vom 3.10.2008 unterliegt die Lebensversicherung gem. § 2 Abs. 2 BetrAVG einer Verfügungsbeschränkung für den Teil, der auf Beiträgen des ehemaligen Arbeitgebers beruht. Der Versicherungsnehmer darf danach die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in Höhe des durch Beitragszahlungen des Arbeitgebers gebildeten Anteils weder abtreten noch beleihen. In dieser Höhe darf der Rückkaufwert aufgrund einer Kündigung des Versicherungsvertrages nicht in Anspruch genommen werden; § 176 Abs. VVG (aF) soll insoweit keine Anwendung finden.
Der aus den Arbeitgeberbeiträgen gebildete Rückkaufwert ist in dem Nachtrag mit 23.538 EUR angegeben. Die Versicherung wurde in der Folgezeit beitragsfrei fortgeführt.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Bestellung des Klägers zum Insolvenzverwalter erklärte er mit Schreiben vom 13.2.2012 gegenüber der Beklagten gem. § 103 InsO die Nichterfüllung des Lebensversicherungsvertrages und forderte die Abrechnung des Vertrages bzw. Auszahlung auf sein Treuhandkonto. Die Beklagte teilte darauf mit Schreiben vom 24.2.2012 mit, dass sich das Vertragsguthaben zum 1.3.2012 auf 27.088 EUR belaufe und verwies auf den im vorbezeichneten Nachtrag aufgeführten Rückkaufwert sowie darauf, dass der Vertrag nicht vorzeitig aufgelöst werden könne.
Der Kläger hat sich in erster Instanz auf den Standpunkt gestellt, er sei an das zwischen den Parteien ausweislich des Nachtrags zum Versicherungsschein vereinbarte Kündigungsverbot nicht gebunden und dürfe den Versicherungsvertrag daher kündigen und den Rückkaufwert gem. § 169 VVG n.F. zur Masse ziehen. Dies ergebe sich nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 1.12.2011 zu Az. IX ZR 79/11; Beschluss vom 1.11.2010 zu Az. VII ZB 87/09) aus einer entsprechenden Anwendung von § 851 Abs. 2 ZPO sowie daraus, dass der streitgegenständliche Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Versicherungssumme bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls als zukünftige Forderung pfändbar sei. Daher scheitere die Zugehörigkeit der Versicherungsforderung zur Insolvenzmasse nicht gem. § 36 InsO an der mangelnden Pfändbarkeit. Im Übrigen sei mit dem Verweis auf das Vertragsguthaben zum 1.3.2012 keine hinreichende Auskunft über den Rückkaufwert erteilt.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, sie habe mit der Angabe des Vertragsguthabens die begehrte Auskunft hinreichend erteilt, weil der Kläger seit 2008 keine Beiträge eingezahlt habe. Im Übrigen könne der Kläger die Versicherungsforderung gem. § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 851 Abs. 1 ZPO, § 2 Abs. 2 Satz 4, 5 BetrAVG nicht zur Masse ziehen. Der vom BetrAVG intendierte Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung gebiete es, die Verwertung der Versicherungsansprüche bis zum Eintritt des Versicherungsfalls bzw. des frühesten Abruftermins zu verhindern. Dies beruhe auch auf dem öffentlichen Interesse, einer erweiterten Eintrittspflicht des Staates für die soziale Absicherung des Arbeitnehmers vorzubeugen, nachdem die Zahlungen für die betriebliche Altersversorgung bereits steuerlich und sozialrechtlich gefördert seien.
Das LG hat sich dieser Sichtweise angeschlossen und die Klage mit dem angefochtenen Urteil...