Entscheidungsstichwort (Thema)

Organisationshaft. Vorwegvollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe

 

Leitsatz (amtlich)

Zulässigkeit der sog. "Organisationshaft".

Anordnung des Vorwegvollzugs einer Ersatzfreiheitsstrafe während der sog. "Organisationshaft".

 

Normenkette

StPO § 463 Abs. 1; StVollstrO §§ 44b, 50 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen I StVK 446/14)

 

Tenor

Beide Beschwerden werden auf Kosten des Verurteilten als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Der Verurteilte, der sich seit dem 16. Juli 2013 in Untersuchungshaft befunden hat, wurde am 10. Dezember 2013 durch das Landgericht Essen wegen schwerer Brandstiftung, fahrlässiger Brandstiftung und wegen Siegelbruchs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zudem wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB angeordnet. Das Urteil ist seit dem 11. Januar 2014 rechtskräftig.

Unter dem 13. Januar 2014 richtete die Staatsanwaltschaft Essen wegen der vorrangig zu vollstreckenden Maßregel ein entsprechendes Aufnahmeersuchen an den Landschaftsverband S in L. Hierauf reagierte der Landschaftsverband mit Schreiben vom 22. Januar 2014 und teilte der Staatsanwaltschaft Essen mit, dass ein Behandlungsplatz nicht sofort benannt werden könne, der Landschaftsverband jedoch bemüht sei, einen Unterbringungsplatz - ggfs. auch in einem anderen Bundesland - zeitnah zu finden und zur Verfügung zu stellen.

Mit Verfügung vom 24. Januar 2014 wurde von Seiten der Staatsanwaltschaft Essen überprüft, ob in dem - ebenfalls gegen den Verurteilten gerichteten - Verfahren 33 Js 192/13 StA Essen die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe anzuordnen ist. In dem vorgenannten Verfahren war der Verurteilte am 04. Juli 2013 vom Amtsgericht Essen wegen Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10,00 EUR verurteilt worden. Nachdem der Verurteilte die Geldstrafe nicht beglichen und die Staatsanwaltschaft Essen am 20. Februar 2014 ein Gesuch des Verurteilten auf Bewilligung von Zahlungserleichterungen abgelehnt hatte, war dort eine Ersatzfreiheitsstrafe von insgesamt 49 Tagen zu vollstrecken. Am 11. März 2014 ordnete die Staatsanwaltschaft Essen gem. §§ 463 StPO, 50, 44 b StVollstrO an, dass vor dem Vollzug der mit Urteil des Landgerichts Essen vom 10. Dezember 2013 verhängten Maßregel zunächst die Ersatzfreiheitsstrafe von 49 Tagen aus dem Verfahren 33 Js 192/13 StA Essen vollzogen werden soll. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Staatsanwaltschaft Essen aus, dass der Zweck der Maßregel durch einen vorherigen Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe leichter zu erreichen sei. Bei einem solchen Vorwegvollzug und anschließendem Maßregelvollzug erscheine eine bedingte Entlassung eher möglich. Außerdem sei davon auszugehen, dass der Verurteilte stärker motiviert sei, an der Behebung seiner Suchterkrankung mitzuwirken, sofern er nach Abschluss der Therapie unmittelbar in Freiheit entlassen werden könnte. Die Ersatzfreiheitsstrafe wurde hiernach ab dem 07. März 2014 bis zum 24. April 2014 vollzogen.

Am 12. Februar 2014 teilte der Landschaftsverband S auf telefonische Nachfrage der Staatsanwaltschaft Essen mit, dass ein Behandlungsplatz nicht vor April 2014 zur Verfügung stehen werde. Daraufhin überreichte die Staatsanwaltschaft Essen am 28. Februar 2014 einen entsprechenden Bericht an das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen. Das Justizministerium wiederum forderte den Landesbeauftragten mit Schreiben vom 04. März 2014 auf, mit Nachdruck auf eine Unterbringung des Verurteilten in einer Maßregelvollzugseinrichtung des Landes Nordrhein-Westfalen oder eines anderen Bundeslandes hinzuwirken.

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 14. März 2014 hat der Verurteilte Beschwerde gegen das Vollstreckungsverfahren und mit weiterem Schriftsatz vom 21. März 2014 ausdrücklich auch Beschwerde gegen den Vorwegvollzug der Ersatzfreiheitsstrafe eingelegt.

Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen forderte den Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug mit Schreiben vom 17. März 2014 nochmals auf, mit Nachdruck auf eine Unterbringung des Verurteilten hinzuwirken und wies in diesem Zusammenhang auf eine ggfs. bevorstehende Entlassung des Verurteilten aus der Haft ab dem 25. April 2014 hin. Mit Schreiben vom 18. März 2014 teilte die Direktorin des Landschaftsverbandes S daraufhin mit, dass ein Unterbringungsplatz in der LVR-Klinik C ab dem 25. April 2014 zur Verfügung stünde. Seit diesem Tag wird nunmehr die Maßregel aus dem Urteil des Landgerichts Essen vom 10. Dezember 2013 vollzogen.

Der Verurteilte hat mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 29. April 2014 einer Erledigterklärung des Beschwerdeverfahrens widersprochen und beantragt,

  1. festzustellen, dass die Vollstreckung der Freiheitsstrafe vom 11. Januar 2014 bis zum 06. März 2014 die Menschenwürde des Angeklagten im Sinne des Art. 1 GG, das Recht des Angeklagten auf Freiheit im Sinne des Art. 2 GG sowie auch das Recht des Angeklagten auf Unterlassung sachwillkürlicher Entscheidungen i...

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