Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung und Kontrollpflicht des Kfz-Führers für das (selbstständige) Abschnallen eines Kindes während der Fahrt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Schutz von Kindern sowie der allgemeinen Verkehrssicherheit ist die strikte Einhaltung von Sicherungsvorschriften von Kindern erforderlich. Jeder Fahrer ist verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass ein mitfahrendes Kind während der gesamten Fahrt ausreichend gesichert ist und es auch bleibt.

2. Einem Kind im Alter von 4 Jahren kann man in der Regel verständlich machen, welche Gefahren und welche Folgen eintreten können, wenn es sich während einer Fahrt abschnallt. Ebenfalls ist ein Kind in dem Alter in der Lage, das deshalb ausgesprochene Verbot, sich während der gesamten Fahrt abzuschnallen und die Ankündigung ernstzunehmender Konsequenzen bei Missachtung dieses Verbots zu verstehen, zu akzeptieren und zu befolgen. Der Fahrer muss ein solches Verbot mit Nachdruck aussprechen.

3. Die Pflicht des Kfz-Führers, während der gesamten Fahrt dafür Sorge zu tragen, dass ein im Kfz befördertes Kind vorschriftsmäßig gesichert ist und es auch bleibt, ergibt sich aus § 23 Abs. 1 Sat 2 StVO i.V.m. § 3 Abs. 2a StVO.

4. Im Einzelfall kann ein Kfz-Führer sogar gehalten sein, seine Route derart zu wählen, dass er ausschließlich Straßen befährt, auf denen ein regelmäßiges Umsehen nach dem Kind und ein sofortiges Anhalten möglich ist. Ausnahmsweise kann er sogar gehalten sein, die ständige Kontrolle des beförderten Kindes durch Mitnahme einer Begleitperson zu gewährleisten.

 

Verfahrensgang

AG Marl (Aktenzeichen 8 OWi 349/13)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, § 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG.

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen

 

Gründe

I

Der Betroffene ist durch Urteil des Amtsgerichts Marl vom 01. August 2013 wegen fahrlässiger nicht vorschriftsmäßiger Sicherung eines Kindes in Tateinheit mit Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 15 km/h zu einer Geldbuße in Höhe von 40,- € verurteilt worden (§§ 3 Abs. 3, 21 Abs. 1a, 21a Abs. 1, 49 StVO, 24 StVG).

Das Amtsgericht hat u.a. folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:

"(...)

In dem PKW befand sich zudem seine 4jährige Tochter. Sie saß im Kindersitz. Bei Beginn der Fahrt wurde sie durch den Betroffenen angeschnallt, hatte sich jedoch dann alleine abgeschnallt, so dass im Zeitpunkt der Kontrolle durch die Polizeibeamten die Tochter nicht vorschriftsmäßig gesichert war.

(...)."

Zudem hat das Amtsgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung u.a. weiter ausgeführt:

"Zum Schutz der Gesundheit von Kindern sowie der allgemeinen Verkehrssicherheit ist die strikte Einhaltung der Sicherheitsvorschriften von Kindern erforderlich. Das leichte Gewicht eines Kindes führt bei Nichtsicherung im Fall von Kollisionen, plötzlichem starkem Abbremsen, Ausweichmanövern oder Kurvenfahrten zu erheblichem Umher- oder gar Herausschleudern mit schwerstwiegenden Folgen für das Kind. Ferner besteht die Gefahr, dass das Kind hierbei auch gegen den Fahrer geschleudert wird, wodurch dieser die Kontrolle über das Fahrzeug verlieren kann mit entsprechenden gravierenden Unfallfolgen, in die auch noch weitere Verkehrsteilnehmer verwickelt werden könnten.

Jeder Fahrer ist daher verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass ein mitfahrendes Kind während der gesamten Fahrt ausreichend gesichert ist und auch bleibt (AG Köln, NZV 05, 598).

Soweit der Betroffene erklärt, dass seine Tochter sich erstmalig selbständig abgeschnallt habe, so kann dies nach Ansicht des Gerichts den Betroffenen nicht entlasten. Ihm ist dennoch ein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen. Bei einem Kind im Alter von 4 Jahren kann es durchaus vorkommen, dass dieses sich selbständig abschnallt. Der Betroffene hat insofern dafür Sorge zu tragen, dass das Kind jederzeit gesichert ist. Es ist ihm zuzumuten, auch während der Fahrt gelegentlich nach dem Kind zu schauen um sicherzustellen, dass eine ordnungsgemäße Sicherung gegeben ist. Da ein Kind im Alter von 4 Jahren in einem Kindersitz einigen Aufwand betreiben muss, um sich abzuschnallen, was mehr Zeit in Anspruch nimmt als bei einem Erwachsenen, ist davon auszugehen, dass der Betroffene der vorgenannten Pflicht nicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist. Ansonsten hätte er Kenntnis von der fehlenden Sicherung genommen, wäre gehalten gewesen, die Fahrt zu stoppen und die Sicherung wieder herzustellen. Ein Fahrlässigkeitsvorwurf ist ihm daher zu machen.

(...)."

Gegen das in Abwesenheit des Betroffenen und in Anwesenheit seines Verteidigers am 01. August 2013 verkündete und dem Verteidiger am 30. August 2013 zugestellte Urteil hat der Betroffene mit am 08. August 2013 beim Amtsgericht eingegangenem anwaltlichen Schriftsatz vom 07. August 2013 die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt. Durch am 30. September 2013 beim Amtsgericht eingegangenen, anwaltlichen Schriftsatz vom selben Tage hat er das Rechtsmittel auf die Verurteilung wegen fahrlässiger...

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