Leitsatz (amtlich)
Bei der Identifizierung des Angeklagten aufgrund einer Lichtbildvorlage im Ermittlungsverfahren und anschließendem Wiedererkennen in der Hauptverhandlung müssen die Urteilsgründe hinreichend deutlich erkennen lassen, dass sich der Tatrichter des beschränkten Beweiswertes eines solchen wiederholten Wiedererkennens bewusst gewesen ist.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Siegen zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht Siegen hat den Angeklagten in der Sitzung vom 18. Juli 2001 wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit Nötigung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 15, - DM verurteilt. Dem Angeklagten wurde darüber hinaus die Fahrerlaubnis entzogen. Sein Führerschein wurde eingezogen. Die Verwaltungsbehörde wurde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von noch fünf Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Im Übrigen wurde der Angeklagte freigesprochen.
Nach den zu der abgeurteilten Tat getroffenen Feststellungen befuhr der Angeklagte am 2. August 2001 mit dem auf seinen Bruder zugelassenen PKW Nissan mit dem amtlichen Kennzeichen in Kreuztal die Marburger Straße, Fahrtrichtung Kredenbach. Obwohl der Angeklagte gesehen habe, dass ihm auf der Gegenfahrbahn ein Noteinsatzfahrzeug mit eingeschaltetem Martinshorn und Blaulicht und erheblicher Geschwindigkeit entgegen kam, sei er zum Überholen auf die Gegenfahrbahn ausgeschert und habe dabei mehrfach seine Scheinwerfer betätigt. Um einen Frontalzusammenstoß zu verhindern, sei das Noteinsatzfahrzeug zunächst nach rechts gelenkt worden. Sodann habe der Fahrer dieses Fahrzeugs eine Vollbremsung eingeleitet. Der Angeklagte sei jedoch mit unverminderter Geschwindigkeit auf das Noteinsatzfahrzeug zugefahren und habe dabei zumindest billigend in Kauf genommen, dass durch seine Fahrweise eine konkrete Gefährdung der Insassen des Noteinsatzfahrzeugs entstanden sei. Erst wenige Meter bevor es zum Zusammenstoß der Fahrzeuge hätte kommen können, habe der Angeklagte seinen PKW wieder auf die rechte Fahrspur zurückgeführt. Das Landgericht hat die Fahrereigenschaft des Angeklagten, dessen Zwillingsbruder Halter des tatbeteiligten Fahrzeugs ist, aufgrund folgender Erwägungen als erwiesen angesehen:
"Dass es sich bei dem Fahrer des weißen Pkw um den Angeklagten handelte, steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der Aussagen der Zeugen N. , B. und K. fest. Die Zeugen A. und N. haben bekundet, sie hätten das Kennzeichen das weißen Pkw nur unvollständig ablesen können. Der Zeuge A. konnte den Fahrer nur als männliche Person zwischen 30 und 45 Jahren mit längeren Haaren beschreiben. Der Zeuge N. hat bekundet, entweder der Angeklagte oder sein Zwillingsbruder sei der Fahrer des Pkw gewesen, der ihnen auf der Marburger Straße entgegen kam. Er mache dies an der Schulterform und dem seitlichen Profil fest, welche er bei der Fahrt habe erkennen können. Der Zeuge B. hat ausgesagt, zunächst sei der weiße Pkw einige Autos hinter ihm gefahren, später sei er dann unmittelbar hinter ihm gewesen. Er habe den Fahrer im Rückspiegel gesehen und entweder der Angeklagte oder sein Zwillingsbruder sei dieser Fahrer gewesen. Schließlich hat der Zeuge K. bekundet, er habe den Fahrer des weißen Pkw über eine längere Strecke direkt hinter sich in seinem Rückspiegel sehen können, bis er selbst nach links abgebogen sei. Im Abbiegevorgang habe er noch einmal nach rechts hinüber geschaut und sich dabei den genauen Fahrzeugtyp und das Kennzeichen gemerkt, welches er sich kurz darauf notiert habe. Der Angeklagte sei der Fahrer gewesen. Er und nicht sein Zwillingsbruder passe zu dem Bild, das er im Gedächtnis habe.
Alle Zeugen waren glaubwürdig. Keiner von ihnen war mit dem Angeklagten oder seinem Zwillingsbruder bekannt. Die Zeugen B. und K. waren an den Vorgängen selbst unbeteiligt. Sie zeigten ebenso wenig wie die betroffenen Zeugen A. , N. und P. eine Belastungstendenz hinsichtlich des Angeklagten. Alle Zeugen haben ihre Unsicherheiten bezüglich einer Identifizierung des Angeklagten offen eingestanden. Auch der Zeuge K. hat bekundet, dass eine Identifizierung nicht einfach sei. Nach dem von ihm gewonnenen Eindruck hat er sich die Sache nicht einfach gemacht, sondern genau überlegt und auch offen gelegt, wieso er den Angeklagten und nicht seinen Bruder für den Fahrer hält.
Dabei spielte nach seiner Aussage die im Ermittlungsverfahren vorgenommene Wahllichtbildvorlage eine große Rolle, da er den Angeklagten auf dem Lichtbild als den Fahrer wiedererkannt habe. In der Hauptverhandlung hat er nach eigenem Bekunden den Angeklagten im wesentlichen deshalb als Fahrer wiedererkannt, weil er die auf dem von ihm ausgewählten Lichtbild abgebildete Person sei. Er entspreche aber auch nach seiner heutigen Erinnerung an den Fahrer des Pkw Nissan.
Das reicht nach Ansicht der Kammer ...