Leitsatz (amtlich)
Zur Beruhensfrage, wenn ein Hilfsbeweisantrag, weder vor Urteilsverkündung noch in den Urteilsgründen abgelehnt worden ist.
Verfahrensgang
AG Paderborn (Entscheidung vom 30.08.2006) |
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene (§§ 46 OWiG, 473 Abs. 1 StPO).
Gründe
Zusatz: Es kann offen bleiben, ob der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zulässig erhoben worden ist, jedenfalls ist er in der Sache unbegründet.
Die vorliegend allein erhobene Rüge der Versagung des rechtlichen Gehörs gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG greift nicht durch. Zwar kann die fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs führen, jedoch setzt dies voraus, dass die Entscheidung des Tatrichters auf einem Verfahrensfehler beruht, der seinen Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrages der Partei hat (BVerfG NJW 1984, 1026; 1992, 2811; OLG Hamm, Beschl. v. 28.09.2004 in 4 Ss OWi 634/04; OLG Celle DAR 2004, 595, 596). Dies kann vorliegend angenommen werden, weil der von dem Betroffenen gestellte Hilfsbeweisantrag sowohl weder vor Urteilsverkündung noch in den Urteilsgründen abgelehnt worden ist.
Das Urteil beruht jedoch nicht auf diesem Verstoß.
Ein Urteil beruht nämlich dann nicht auf der Nichtbescheidung eines Hilfsbeweisantrages, wenn sich aus den Feststellungen des Urteils ergibt, dass die Anträge gem. § 244 Abs. 2 bis 5 StPO verfahrensfehlerfrei hätten abgelehnt werden können (OLG Hamm NZV 1993, 122; GA 1972, 59).
Ist z.B. ein in der Hauptverhandlung im Ergebnis zu Recht ergangener Beschluss gem. § 244 Abs. 4 StPO falsch begründet, so verhilft das i.d.R. der Revision deshalb zum Erfolg, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Verteidiger bei richtiger Begründung der Antragsablehnung eine andere - möglicherweise erfolgreiche - Verteidigungsstrategie gewählt hätte. Daraus folgt, dass das Revisionsgericht bei einer fehlerhaften Antragsablehnung die richtige Begründung nicht "nachschieben" darf.
Etwas anderes gilt aus den oben dargelegten Gründen bei der Ablehnung von Hilfsbeweisanträgen. Ein Reagieren des Verteidigers in der Hauptverhandlung auf die fehlerhafte Begründung erst in den Urteilsgründen ist dann denkgesetzlich ausgeschlossen. Das Urteil kann daher nicht auf diesem Verstoß beruhen, wenn die Feststellungen auch eine ordnungsgemäße Ablehnung des Hilfsbeweisantrages erlaubt hätten (OLG Hamm NZV 1993, 122; Sarstedt, DAR 1964, 313; Alsberg/Nüse/Meyer, S. 991 m.w.N.). Gleiches trifft für den Fall der Nichtbescheidung eines Hilfsbeweisantrages zu. Zum einen ist dies ein Extremfall der fehlerhaften Ablehnung des Antrages. Zum anderen stellt sich die Situation aus der Sicht der Verteidigung bei einer fehlerhaften Ablehnungsbegründung in den Urteilsgründen nicht anders dar als beim völligen Fehlen einer solchen Begründung.
Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen hätte der Hilfsbeweisantrag jedoch abgelehnt werden können.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob im vorliegenden Fall ein den Anforderungen des § 244 StPO genügender Beweisantrag vorliegt, oder - wofür mehr spricht - nur ein sogenannter Beweisermittlungsantrag. Denn der Betroffene hat in seinem Beweisantrag nicht behauptet, dass seine Identifizierung als Täter eines Rotlichtverstoßes durch die eingesetzten Polizeibeamten nur anhand der Übermittlung nur eines Teils des Kennzeichens erfolgte.
In jedem Falle hätte das Amtsgericht jedoch nach der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme den Antrag auf Vernehmung des Zeugen Mü., des am Tattag zusätzlich zu dem vernommenen Zeugen Zu. tätigen Polizeibeamten, rechtsfehlerfrei gemäß § 77 Abs. 2 OWiG ablehnen können.
Bereits in einer früheren Entscheidung ist entschieden worden, dass ein Bußgeldrichter zur Vernehmung eines gegenbeweislich benannten weiteren Beamten i.d.R. jedenfalls dann nicht verpflichtet ist, wenn er zu einem einfachen Verkehrsvorgang lediglich einen Polizeibeamten als Zeugen gehört hat, wenn der vernommene Zeuge persönlich glaubwürdig ist, seine Aussage sich auf eine zuverlässige Beobachtungsgrundlage gleichwertig stützten, der gegenbeweislich benannte Zeuge in den Akten als Anzeigeerstatter oder jedenfalls als "Zeuge der Anklage" erscheint und konkrete entlastende Tatsachen im dem Beweisantrag nicht behauptet werden (OLG Hamm NStZ 1984, 462, 463).
So verhält es sich hier auch.
Fundstellen