Entscheidungsstichwort (Thema)
Sicherungsverwahrungsvollzug. kein Betretungsverbot für die Zimmer der Sicherungsverwahrten. Abstandsgebot
Leitsatz (amtlich)
Wie bei Hafträumen von Strafgefangenen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 30.05.1996 - 2 BvR 727/94 -, juris) liegt auch für die Zimmer der Sicherungsverwahrten im Sinne von § 14 SVVollzG NRW bei Beachtung des Willkürverbots und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Grundrechtseingriff nicht schon darin, dass ein Vollzugsbediensteter diese Räume betritt. Der Sicherungsverwahrte hat insofern keinen Anspruch auf ein (hier: von 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr) zeitlich begrenztes Betretungsverbot.
Normenkette
SVVollzG NRW §§ 1-2, 14
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Aktenzeichen 2 StVK 309/16) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der angefochtene Beschluss wird im Umfang seiner Anfechtung mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswertes aufgehoben.
Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung, der Antragsgegnerin zu verbieten gem. § 14 Abs. 2 SVVollzG NRW, ihn in seiner Mittagsruhe zwischen 13:00 Und 16:00 Uhr zu stören und seine gesetzlich verankerte Privat- und Intimsphäre zu respektieren und zu gewährleisten, wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens sowie die weiteren Kosten des Verfahrens erster Instanz trägt der Betroffene (§ 121 Abs. 2 StVollzG).
Gründe
I.
Der Betroffene befindet sich seit März 2010 in der Sicherungsverwahrung, aktuell in der JVA X.
Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 13.10.2016 begehrte der Betroffene u.a., der Antragsgegnerin gem. § 14 Abs. 2 SVVollzG zu verbieten, ihn in seiner Mittagsruhe zwischen 13:00 und 16:00 Uhr zu stören und seine gesetzlich verankerte Privat- und Intimsphäre zu respektieren und zu gewährleisten.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg hat mit Beschluss vom 29.09.2017 unter Hinweis auf das Recht des Betroffenen auf Wahrung seiner Privatsphäre der Antragsgegnerin verboten, das Zimmer des Antragstellers in der Zeit von 13:00 Uhr bis 16:00 Uhr zu betreten, soweit keine Durchsuchung nach § 64 SVVollzG NRW durchgeführt wird. Im Hinblick auf weiteren Anträge des Betroffenen hat die Strafvollstreckungskammer die Anträge auf gerichtliche Entscheidung vom 13.10.2016 als unzulässig zurückgewiesen.
Sie hat zur Begründung ausgeführt, der Antrag sei zulässig, er habe eine Maßnahme im Sinne des § 109 Abs. 1 StVollzG zum Gegenstand. Vom Begriff der Maßnahme seien auch Realakte und schlicht hoheitliches Handeln umfasst. Es liege auch eine Regelung einzelner Angelegenheiten vor, da allein die Frage der Privatsphäre des Antragstellers durch das Betreten während der Mittagszeit betroffen sei. Der Antrag sei auch begründet, denn nach § 14 SVVollzG NRW werde dem Untergebrachten zu Wohn- und Schlafzwecken ein Zimmer in ausreichender Größe zur alleinigen Nutzung zugewiesen. Das ihm zugewiesene Zimmer diene auch dem Schutz seiner Privatsphäre. Für die Frage, inwieweit die Antragsgegnerin das Zimmer des Antragstellers betreten dürfe, sei auf die Regelung des § 64 SVVollzG NRW abzustellen, nach der die Zimmer der Untergebrachten durchsucht werden dürften. Danach sei das Betreten des Zimmers zulässig, um eine Durchsuchung durchzuführen. Für das Betreten aus anderen vollzuglichen Gründen bestehe keine ausdrückliche Regelung im SVVollzG NRW. Ergänzend seien daher die Regelungen zur Ausgestaltung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung, sowie der Angleichungsgrundsatz und der Anpassungsgrundsatz sowie die Regelungen zur Mitwirkung und Freizeitgestaltung heranzuziehen (§§ 1 Satz 2, 2 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, Abs. 3 und 4 SVVollzG). Der Vollzug sei freiheitsorientiert und dahingehend zu gestalten, dass die Untergebrachten befähigt werden, ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit und sozialer Verantwortung zu führen. Auch die Regelungen zur Tageseinteilung und Freizeitgestaltung (§§ 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7, 19 Abs. 1 und 50 Abs. 1 Satz 1 SVVollzG NRW) gingen von einer im Wesentlichen eigenverantwortlichen Gestaltung aus, wobei die Antragsgegnerin gehalten sei, fortwährend die Mitwirkungsbereitschaft der Untergebrachten zu fördern und eine sinnvolle Freizeitgestaltung anzuregen (§§ 3 Abs. 1 und 50 Abs. 1 Satz 1 SVVollzG NRW). Diese Grundsätze berechtigten die Antragsgegnerin nicht, das Zimmer des Antragstellers jederzeit aus anderen vollzuglichen Gründen mit Ausnahme einer Durchsuchung zu betreten. Auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung die Mitwirkungsbereitschaft zu fördern, ergebe sich unter Berücksichtigung der eigenverantwortlichen Lebensgestaltung ein Recht des Antragstellers in seinem Zimmer Privatsphäre zu haben. Die Entscheidung des Antragstellers auf eine Mittagsruhe sei Ausfluss des Grundsatzes der eigenverantwortlichen Freizeitgestaltung. Die Regelung vollzuglicher Belange sei auch außerhalb der Mittagsruhe des Antragstellers möglich. Im Übrigen sei die Antragsgegnerin berechtigt, auch während der Mittagszeit das Zimmer des Antragstellers zur Durchführung von Durchsuchungen jeder...