Entscheidungsstichwort (Thema)
Einziehung des Erbscheins
Verfahrensgang
LG Paderborn (Beschluss vom 27.01.1995; Aktenzeichen 5 T 598/94) |
AG Brakel (Aktenzeichen 5 VI 49/93) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1) hat die der Beteiligten zu 2) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 100.000,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Aus der Ehe der Erblasserin mit ihrem am 13. Juni 1968 vorverstorbenen Ehemann sind keine Kinder hervorgegangen. Die Erblasserin lebte vor ihrem Tode lange Jahre von ihrem Ehemann getrennt. Im Jahre 1975 nahm sie ihre Schwester … die Beteiligte zu 1), in ihrem Haus auf. Ihre zweite Schwester … war schon am 1. August 1950 vorverstorben. Aus deren Ehe sind die Beteiligten zu 2) bis 7) hervorgegangen.
Die Erblasserin hinterließ zahlreiche privatschriftliche letztwillige Verfügungen und Testamentsentwürfe. Mit Verfügung vom 22. November 1954 bedachte sie unter Ausschluß ihres Ehemanners die Beteiligte zu 1), die Kinder ihrer Schwester … die Katholische Kirchengemeinde, das … sowie die …. Mit Verfügung vom 28. April 1963 bestimmte sie, daß die Beteiligte zu 1) den wesentlichen Teil ihres Vermögens, ggfls. auch das noch im Planungsstadium befindliche Haus, „erben” sollte. Sie sollte jedoch unter Mitwirkung eines Notars nach gerechtem Ermessen mit den Kindern ihrer verstorbenen Schwester … teilen. Ferner setzte sie Vermächtnisse zugunsten des katholischen Pfarramtes, verschiedener Ordensgesellschaften sowie der Familien … und … aus. Die zeitlich nachfolgenden Testamente und Testamentsentwürfe lauten – soweit von Interesse –:
Testament vom 10.12.1986:
„Mein Besitztum (Haus, Grundstück) fällt zunächst meiner Schwester … zu. Als Nacherbe bestimme ich jemand aus der Familie … und … da diese uns oft geholfen haben.”
Testament vom 08.02./12.07.1987:
„Mein Besitztum (Haus, Grundstück) fällt zunächst meiner Schwester … zu. Als Nacherben nach ihrem Ableben bestimme ich jemand aus der Familie … und … wohnhaft in … da diese uns oft geholfen haben, jedoch unter der Bedingung, daß die … kinderreichen Geschwistern 1/3 des Wertes ausbezahlen.”
Testament vom 16./30.01.1989:
„Mein Besitztum (Haus, Grundstück) fällt zunächst meiner Schwester … zu. Als Nacherben empfehle ich jemand (1 Tochter) aus der Familie … und … da diese uns öfter halfen und das Anwesen wegen ihrer Wohnnähe am ehesten in Ordnung halten können; (jedoch setze ich dabei die Bedingung, daß sie 1/6 des Wertes von Haus und Grundstück ihren kinderreichen Geschwistern auszubezahlen).”
Testamentsentwurf von November 1990:
„Mein Besitztum (Haus (mit allem Inhalt), Grundstück) fällt zunächst meiner Schwester … zu. Nacherbe kann sein, wer für das leere Haus (doch mit eingebauter Küche + Bad) 80.000,00 DM an alle kinderreichen Erbberechtigten zahlt.”
Testamentsentwurf von Februar 1991:
„Mein Besitztum (Haus mit allem Inhalt und Grundstück) fällt zunächst meiner Schwester … zu. Nacherbe kann, sein, wer für das leere Haus (doch mit eingebauter Küche und Bad) an die anderen Erbberechtigten gleichmäßig verteilt zahlt.”
Die Beteiligte zu 1) hat in notarieller Urkunde vom 5. März 1993 (UR-Nr. 33/93 Notar … in …) einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin (Vollerbin) ausweist. Das Nachlaßgericht hat nach Anhörung der gesetzlichen Erben den beantragten Erbschein am 3. Juni 1993 erteilt.
Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 19. Mai 1994 hat die Beteiligte zu 2) beantragt, diesen Erbschein wegen Unrichtigkeit einzuziehen. Nach dem maßgebenden Testament vom 16. Januar 1989 sei die Beteiligte zu 1) nur als Vorerbin berufen. Mit dieser Regelung habe die Erblasserin sicherstellen wollen, daß ihre Schwester … bis zu ihrem Lebensende in dem Haus der Erblasserin wohnen könne. Der Personenkreis der Nacherben sei mit der Formulierung … hinreichend bestimmt. Bei der Verwendung des Verbes „empfehlen” habe sich die Erblasserin in der Wortwahl vergriffen; gemeint sei „bestimmen”. Wenn dem nicht gefolgt werden könne, sei zur Auslegung des Testaments § 2104 BGB heranzuziehen.
Die Beteiligte zu 1) ist dem Antrag entgegengetreten. In ihrer Einsetzung sei eine unbeschränkte Erbeinsetzung zu sehen. Sie behauptet dazu, die Erblasserin habe sich im Jahre 1988/89 sehr verärgert darüber gezeigt, daß die Beteiligte zu 2) ihr angesonnen habe, das Hausgrundstück schon zu Lebzeiten auf diese zu übertragen. Die Erblasserin habe ihr gegenüber erklärt, sie, die Beteiligte zu 1), solle erben. In den Jahren 1990 bis 1992 habe sie auch Dritten gegenüber betont, daß sie ihr Haus der Beteiligten zu 1) vererbt habe, damit diese den weiteren Erbgang bestimmen könne.
Das Nachlaßgericht hat den Antrag der Beteiligten zu 2) durch Beschluß vom 9. September 1994 zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) hat das Landgericht durch Beschluß vom 27. Januar 1995 den Beschluß des Nachlaßgerichts abgeändert und dieses angewiesen, den Erbschein vom ...