Leitsatz (amtlich)

Ist die Urteilsurkunde nach außen bekannt gemacht worden, so ist eine nachträgliche Anfertigung der Urteilsgründe unzulässig, wenn nicht ein Fall des § 77 b Abs. 2 OWiG vorliegt.

 

Verfahrensgang

AG Menden (Sauerland) (Entscheidung vom 07.03.2008)

 

Tenor

  • 1.

    Dem Betroffenen wird auf seine Kosten von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gewährt.

  • 2.

    Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

  • 3.

    Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene.

 

Gründe

Das Amtsgericht Menden hat den Betroffenen mit Urteil vom 7. März 2008 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 130,- EUR verurteilt. Auf die Verfügung der erkennenden Richterin vom selben Tage ist ein von dieser unterzeichnetes abgekürztes Urteil, bestehend aus dem vollständigen Rubrum und dem Urteilstenor, mit dem Zusatz: "Von einer schriftlichen Begründung des Urteils wird gemäß § 77 b OWiG abgesehen" dem Verteidiger des Betroffenen am 20. März 2008 zugestellt worden. Zuvor hatte der Betroffene bereits mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 13. März 2008, welcher am 14. März 2008 bei dem Amtsgericht Menden eingegangen war, die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt. Das Amtsgericht hat daraufhin am 10. April 2008 ein mit Gründen versehenes Urteil zu den Akten gebracht, welches auf Veranlassung der Vorsitzenden am 15. April 2008 dem Betroffenen über seinen Verteidiger verbunden mit der Aufforderung zur Rücksendung des abgekürzten Urteils zugestellt wurde. Mit Schriftsatz vom 23. April 2008, bei dem Amtsgericht Menden eingegangen am 28. April 2008, hat dieser den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, dem Betroffenen von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zu gewähren und den Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

1.

Der form- und fristgerecht gemäß §§ 80 Abs. 3, 79 Abs. 3 OWiG, § 341 StPO gestellte Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist, obwohl der Zulassungsantrag entgegen §§ 80 Abs. 3, 79 Abs. 3 OWiG, § 345 Abs. 1 StPO nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils begründet worden ist, zulässig, da dem Betroffenen gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, §§ 44, 45 Abs. 2 S. 3 StPO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zu gewähren war. Die Frist des § 345 Abs. 1 StPO wurde bereits mit Zustellung des - außerhalb des Anwendungsbereichs des § 77 Abs. 2 OWiG und damit in unzulässiger Weise - nicht mit Gründen versehenen (abgekürzten) Urteils an den Verteidiger des Betroffenen am 20. März 2008 in Lauf gesetzt (zu vgl. BGH NJW 2004, 3643; OLG Jena NStZ-RR 2003, 273). Demzufolge lief die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen das in Anwesenheit des Betroffenen verkündete Urteil des Amtsgerichts vom 7. März 2008 am Montag, den 21. April 2008 ab. Die vom Verteidiger des Betroffenen unter dem 23. April 2008 verfasste und am 28. April 2008 bei dem Amtsgericht Menden eingegangene Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde war damit verspätet.

Allerdings war dem Betroffenen von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zu gewähren, weil offenkundig ist, dass den Betroffenen selbst an der Versäumung der Begründungsfrist kein Verschulden trifft. Es ist offenkundig, dass der Verteidiger des Betroffenen irrtümlich davon ausgegangen ist, dass die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde bzw. des Antrags auf deren Zulassung erst mit der Zustellung des nachträglich mit Gründen versehenen Urteils an ihn am 15. April 2008 in Lauf gesetzt wurde. Dieser Rechtsirrtum ist dem Betroffenen nicht zuzurechnen und anzulasten. Da die versäumte Handlung, nämlich die formgerechte Begründung der Rechtsbeschwerde und des damit verbundenen Zulassungsantrags, nachgeholt worden ist, liegen die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 StPO für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen vor.

2.

In der Sache bleibt der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde jedoch ohne Erfolg. Dass das von der Richterin unterschriebene und auf deren Anordnung am 20. März 2008 dem Verteidiger des Betroffenen zugestellte Urteil ohne Gründe Außenwirkung erlangt hat und deshalb nur unter den Voraussetzungen des § 77 b Abs. 2 OWiG, die hier ersichtlich nicht vorlagen, nachträglich mit Gründen hätte versehen werden dürfen, lässt die Zulassung der Rechtsbeschwerde für sich gesehen noch nicht geboten erscheinen. In solchen Fällen ist aufgrund des Bußgeldbescheides, des Zulassungsantrages, der Rechtsbeschwe...

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