Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattungsanspruch eines Streitgenossen bei unterschiedlichem Prozessausgang für gemeinsam vertreten gewesene Streitgenossen

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass bei unterschiedlichem Prozessausgang für gemeinsam vertreten gewesene Streitgenossen derjenige mit der günstigeren Erstattungsquote ggü. dem Prozessgegner grundsätzlich den vollen Haftungsanteil ansetzen kann, den der Streitgenosse gem. § 6 Abs. 2 BRAGO dem gemeinsamen Anwalt schuldet (gegen BGH v. 30.4.2003 - VIII ZB 100/02, MDR 2003, 1140 = BGHReport 2003, 1047 = NJW-RR 2003, 1217; v. 17.7.2003 - I ZB 13/03, BGHReport 2003, 1252 = NJW-RR 2003, 1507).

 

Verfahrensgang

LG Siegen (Beschluss vom 17.11.2003; Aktenzeichen 5 O 130/01)

 

Tenor

Die Beschwerde wird nach einem Gegenstandswert von 600,36 Euro kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Durch Urteil des LG Siegen vom 13.3.2003 wurden die außergerichtlichen Kosten der als Gesamtschuldner verklagt und gemeinsam vertreten gewesenen Beklagten unterschiedlich aufgeteilt. Während die Beklagte zu 1) ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat, weil die Klage ihr ggü. im Wesentlichen Erfolg hatte, sind die außergerichtlichen Kosten des obsiegenden Beklagten zu 2) dem Kläger auferlegt worden.

Mit Schriftsatz vom 10.6.2003 haben die Beklagten ihre gesamten Anwaltskosten i.H.v. 1.462,28 Euro zur "Festsetzung und Ausgleichung" angemeldet (Bl. 150 d.A.). Die Rechtspflegerin hat hiervon den Haftungsbetrag des Beklagten zu 2) nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BRAGO dem gemeinsamen Anwalt ggü. mit 1.331,50 Euro errechnet und diesen nebst Zinsen durch den angefochtenen Beschluss gegen den Kläger festgesetzt. Mit seiner Beschwerde vertritt der Kläger die Auffassung, der Beklagte zu 2) könne nur die Hälfte der gemeinsamen Anwaltskosten erstattet verlangen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass bei unterschiedlichem Prozessausgang für gemeinsam vertreten gewesene Streitgenossen derjenige mit der günstigeren Erstattungsquote ggü. dem Prozessgegner grundsätzlich den vollen Haftungsanteil ansetzen kann, den der Streitgenosse dem gemeinsamen Anwalt schuldet (§ 6 Abs. 2 BRAGO). Er hat sich wiederholt mit der Gegenmeinung auseinander gesetzt, die einer Aufteilung der für die Vertretung aller Streitgenossen insgesamt entstandenen Anwaltskosten nach Kopfteilen oder nach Wertanteilen (bei unechten Streitgenossen) für geboten hält, und diese Art der Kostenzurechnung als unvereinbar mit § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO abgelehnt.

Die Gegenmeinung ist allerdings im Ansatzpunkt zutreffend, dass von den gemeinsamen Anwaltskosten aller Streitgenossen für einen erstattungsberechtigten Streitgenossen nur derjenige Anteil notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO ist, der ihn letztlich auch belastet. Es widerspräche den tragenden Grundlagen des Kostenrechts, würde der erstattungsberechtigte Streitgenosse mehr Kosten in Ansatz bringen können, als er tatsächlich zu tragen hat. An der Kostenverteilung nach Abschluss eines Verfahrens soll keine Partei verdienen. Daraus folgt indes nicht, dass die Kostenlast der Streitgenossen unter diesen gleichmäßig aufzuteilen wäre. Insbesondere ergibt sich das nicht ohne weiteres aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach Gesamtschuldner - hier also die Streitgenossen - im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet sind, soweit nicht ein anderes bestimmt ist.

Bereits mit Beschluss vom 4.3.1993 (JurBüro 1994, 420) hat der Senat dazu ausgeführt, dass die Zuordnung nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB nur Anwendung finde, wenn jeder andere Verteilungsmaßstab fehle. Es handele sich um eine bloße Hilfsregel, die bei Streitgenossen dadurch verdrängt werde, dass diese im Innenverhältnis selbstverständlich eine Regelung treffen wollten, die ihren Interessen am besten gerecht werde. Das sei die unter Erstattungsgesichtspunkten ihnen günstigste Kostenverteilung. An einer solchen Aufteilung seien sie nicht gehindert, insb. nicht durch § 426 Abs. 1 S. 1 BGB, aber auch nicht durch den Grundsatz der Gerechtigkeit (§ 242 BGB). Der Prozessgegner sei insoweit nicht schutzbedürftig, weil er hierdurch nicht schlechter gestellt werde, als er stünde, wenn der erstattungsberechtigte Streitgenosse einen eigenen Anwalt genommen hätte. Damit sei die gem. § 6 Abs. 2 BRAGO auch im Außenverhältnis zum Prozessgegner mögliche Kostenverteilung die Grundlage seiner Erstattungspflicht nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Es reiche hin, dass diese Anwaltskosten zur Vertretung des erstattungsberechtigten Streitgenossen notwendig gewesen seien. Dafür, dass sie auch noch "zwangsläufig" notwendig gewesen sein müssten, was teilweise vertreten werde, finde sich kein Anhaltspunkt.

2. Nachdem nunmehr auch der BGH die Gegenmeinung vertritt (BGH v. 30.4.2003 - VIII ZB 100/02, MDR 2003, 1140 = BGHReport 2003, 1047 = NJW-RR 2003, 1217; v. 17.7.2003 - I ZB 13/03, BGHReport 2003, 1252 = NJW-RR 2003, 1507), h...

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