Leitsatz (amtlich)

Eine allgemeine Erkundigungspflicht, ob der Bereich, in dem er als Kraftfahrzeugführer die eigene Fahrt antritt, im Gebiet einer Zonengeschwindigkeitsbeschränkung liegt, trifft den Kraftfahrzeugführer, der keine Kenntnis von der angeordneten Zonengeschwindigkeitsbeschränkung hat und auch nicht haben muss, weil er als Mitfahrer bei einem anderen Kraftfahrzeugführer in die Zone gelangt ist, nicht.

 

Verfahrensgang

AG Gladbeck (Entscheidung vom 31.05.2005)

 

Tenor

  • 1.

    Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen und die Sache dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (Entscheidung der als Einzelrichterin befassten Richterin am Oberlandesgericht).

  • 2.

    Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Gladbeck zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Gladbeck hat den Betroffenen durch das angefochtene Urteil wegen Überschreitens der nach Zeichen 274 zulässigen Höchstgeschwindigkeit - fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG in Verbindung mit § 41, 49 Abs. 3 Ziff. 4 StVO - zu einer Geldbuße von 100,00 EUR verurteilt.

Dazu hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

Am 24.01.2005 überschritt der Betroffene als Führer des Pkw Alfa Romeo mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXX gegen 17.58 Uhr auf der Vossstrasse in Gladbeck in südlicher Fahrtrichtung fahrend, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um mindestens 22 km/h, wobei es sich um den, im fraglichen Bereicht um eine Tempo 30 Zone handelt, die an sämtlichen Zufahrten mit dem Zeichen 274.1 (§ 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO) beschildert ist.

Bei Anwendung der erforderlichen und dem Betroffenen zumutbaren Sorgfalt, hätte dieser die Geschwindigkeitsüberschreitung bemerken müssen und unter Zurücknahme der Geschwindigkeit sein Fahrverhalten hierauf einstellen können.

In der Beweiswürdigung heißt es u. a.:

Der Betroffene hat sich dahin eingelassen, dass er sich der Tatsache, dass der sich in einem Tempo 30 Bereich befindet, nicht bewusst gewesen sei. Er sei nicht selbst in die Tempo 30 Zone als Fahrer eingefahren, sondern am Abend vorher von einem Bekannten dorthin mitgenommen worden.

Infolge Alkoholgenusses habe er sein Fahrzeug in der Nähe der späteren Messstelle abgeparkt stehen gelassen und sich sodann am nächsten Tag von einem weiteren Bekannten zu seinem Fahrzeug bringen lassen. Bei beiden Fahrten habe er jeweils auf die Beschilderung an den Straßen nicht geachtet und deshalb nicht registriert, dass es sich um eine Tempo-30-Zone handelte.

Der Betroffene kann sich aus Sicht des Gerichts mit dieser Einlassung nicht entlasten. Von einem Autofahrer, der weiß, dass er anschließend einen Pkw im fraglichen Bereich zu führen hat, kann erwartet werden, dass er sich beim Einfahren in den Bereich über die entsprechende Beschilderung informiert. Die Auffassung des Betroffenen, er habe nicht fahrlässig gehandelt, weil er als Beifahrer nicht verpflichtet sei, sich über die Beschilderung Kenntnis zu verschaffen, weshalb er bei dem Einfahren in den Messbereich nicht gewusst habe, dass es sich um eine Tempo-30-Zonse handelt, hält das Gericht weder für glaubwürdig noch für in der Sache entscheiden.

Als Autofahrer kann und muss von dem Betroffenen erwartet werden, dass er sich über die geltenden Verkehrsregeln und die Beschilderung in Bereichen, die er anschließend befahren will, durch Aufmerksamkeit informiert. Dieses gilt für den fraglichen Bereich um so mehr, als die Ausgestaltung also Temp-30-Zone aufgrund der Bebauung, Straßenbreite und der sonstigen Gegebenheiten nahe liegt, was dem erkennenden Richter aus eigener Anschauung bekannt ist.

Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in der Tempo-30-Zone verurteilt und die nach dem Bußgeldkatalog vorgesehene Regelgeldbuße von 50,00 EUR im Hinblick auf die erheblichen Vorbelastungen des Betroffenen, die unter den persönlichen Verhältnissen Ziffern 1 - 6 dargelegt sind, auf 100,00 EUR verdoppelt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, deren Zulassung er beantragt. Er ist der Auffassung, dass er als in die Tempo-30-Zone einfahrender Mitfahrer nicht verpflichtet gewesen sei, auf die Straßenbeschilderung zu achten; die Geschwindigkeitsüberschreitung sei ihm deshalb subjektiv nicht vorzuwerfen; die Feststellungen dazu, dass der Betroffene auf Grund der konkreten örtlichen Gegebenheiten im Bereich des geparkten Fahrzeugs auf das Vorliegen einer verkehrsberuhigten Zone hätte schließen müssen, seien im Übrigen nicht ausreichend. Schließlich sei auch die Erhöhung der Geldbuße um 100 % zu beanstanden, weil die Darlegung der Vorverurteilungen, insbesondere hinsichtlich des Tages der Rechtskraft der Entscheidungen unzureichend sei. Darüber h...

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