Leitsatz (amtlich)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung der Beschwerdefrist bei falscher Rechtsbehelfsbelehrung des Amtsgerichts (Abgrenzung zu OLG Hamm FamRZ 2011, 233).
Normenkette
ZPO § 233; FamFG § 17 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Detmold (Entscheidung vom 15.06.2012; Aktenzeichen 31 F 434/11) |
AG Detmold (Entscheidung vom 12.06.2012; Aktenzeichen 31 F 434/11) |
Tenor
Dem Antragsteller wird gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Auf die (sofortige) Beschwerde des Antragstellers wird der Anerkenntnisbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Detmold vom 12./15.6.2012 im Kostenpunkt abgeändert.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Die Antragsgegnerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, dessen Verfahrenswert auf bis zu 600 € festgesetzt wird.
Gründe
1.
Das Rechtsmittel des Antragstellers gegen die Kostenentscheidung ist zulässig.
Zwar handelt es sich, nachdem die Hauptsache bereits in erster Instanz nichtstreitig erledigt worden ist, um eine sofortige Beschwerde gemäß §§ 567 ff. ZPO (vgl. BGH FamRZ 2011, 1933), die folglich innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung des Beschlusses, also bis zum 3.7.2012, einzulegen gewesen wäre (§ 569 Abs. 1 S. 1, 2 ZPO), und deren Eingang erst am 13.7.2012 daher verspätet war.
Da jedoch in der Rechtsbehelfsbelehrung des Beschlusses eine Beschwerdefrist von einem Monat genannt war, und die Beschwerde auf dieser Grundlage rechtzeitig eingelegt gewesen wäre, ist die Fristversäumnis als unverschuldet i. S. v. § 233 ZPO anzusehen.
Wenn auch die Vermutung des - hier zudem nicht unmittelbar anzuwendenden - § 17 Abs. 2 FamFG, dass bei unterbliebener oder fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung das Verschulden fehlt, bei anwaltlicher Vertretung regelmäßig nicht durchgreift (vgl. BGH FamRZ 2010, 1425, [...]Rn. 11), ist hier eine andere Beurteilung deswegen geboten, weil die Frage der für die Beschwerde maßgeblichen Verfahrensvorschriften bis vor kurzem umstritten war und auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet worden ist (vgl. die Nachweise in BGH FamRZ 2011, 1933, [...]Rn. 11, 12). Erst mit der zitierten höchstrichterlichen Entscheidung ist eine abschließende Klärung für die Praxis erfolgt.
Insofern unterscheidet sich der Fall auch von demjenigen aus der Entscheidung OLG Hamm FamRZ 2011, 233, in dem es ebenfalls um eine Beschwerde gegen eine Kostenentscheidung nach nichtstreitiger Hauptsachenerledigung ging, und sich der Anwalt des Beschwerdeführers auf die in der Rechtsbehelfsbelehrung genannte Monatsfrist verlassen hatte. Dort ergab sich die Anwendbarkeit der §§ 567 ff. ZPO, also der 2-Wochen-Frist, bereits aus dem Umstand, dass das Verfahren vor dem 1.9.2009 begonnen hatte und daher noch dem alten Verfahrensrecht unterlag. Eine abweichende Auffassung hätte sich in diesem Punkt allenfalls mit einer "vereinzelt" vertretenen Literaturmeinung begründen lassen, so dass der hiesige 2. Senat für Familiensachen die Rechtsbehelfsbelehrung als "offensichtlich falsch" eingeordnet hat.
2.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sind der Antragsgegnerin als unterliegender Beteiligter gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 aufzuerlegen und nicht dem Antragsteller aufgrund sofortigen Anerkenntnisses gemäß § 93 ZPO (jeweils i. V. m. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG).
Die Antragsgegnerin hat nämlich zur Antragstellung Veranlassung gegeben. Das ergibt sich bereits aus dem Entstehungsgrund des anerkannten Anspruchs, nämlich unberechtigten Zugriffen auf das beiden Beteiligten gemeinschaftlich zustehende Mieteinnahmenkonto. Eine andere Beurteilung ist entgegen dem Amtsgericht nicht deswegen geboten, weil in dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz vom 7.11.2011 der Streitgegenstand unzureichend bestimmt gewesen sein mag. Denn mit diesem Schriftsatz ist zunächst nur das Verfahrenskostenhilfe-Prüfungsverfahren in Gang gesetzt worden. Bei Beginn des eigentlichen Hauptsacheverfahrens hingegen war der Schlüssigkeitsmangel durch den zwischenzeitlichen Erläuterungsschriftsatz vom 27.4.2012 bereits behoben; der Hauptsacheantrag war also von Anfang an schlüssig. Zwar hatte die Antragsgegnerin das Anerkenntnis ebenfalls schon vor Beginn des Hauptsacheverfahrens erklärt. Dennoch hat sie Anlass dazu gegeben, dass es noch durchgeführt wurde. Denn allein das im VKH-Prüfungsverfahren erklärte Anerkenntnis konnte dem Antragsteller noch keinen Vollstreckungstitel verschaffen. Das Hauptsacheverfahren entbehrlich machen können hätte die Antragsgegnerin deshalb einzig dadurch, dass sie die anerkannte Forderung auch - wie dies im übrigen ohnehin Voraussetzung des § 93 ZPO ist - sogleich vollständig beglich und dies in ihrem Anerkenntnisschriftsatz vom 23.5.2012 mitteilte. Das ist nicht geschehen.
3.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Fundstellen