Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung. ordnungsgemäße Ladung des Angeklagten. Beweiswirkung der Postzustellungsurkunde
Leitsatz (amtlich)
1. In entsprechender Anwendung der §§ 329 Abs. 3, 44, 45 StPO ist auch dem nichtsäumigen Angeklagten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung zu gewähren, wenn ein Ladungsmangel vorliegt, dieser kausal für sein Nichterscheinen ist und er fristgerecht einen Wiedereinsetzungsantrag mit den gemäß §§ 44, 45 Abs. 2 StPO erforderlichen Tatsachenangaben stellt. Der Angeklagte hat hierzu einen Sachverhalt vorzutragen und glaubhaft zu machen, dem sich das Fehlen einer ordnungsgemäßen Ladung ebenso wie deren Ursächlichkeit für sein Ausbleiben in der Hauptverhandlung ohne Weiteres entnehmen lässt.
2. Der Nachweis der Unrichtigkeit der Postzustellungsurkunde ist substantiiert anzutreten und kann nur durch die vollständige Entkräftung ihres Inhalts geführt werden. Durch bloße Zweifel an der Richtigkeit der urkundlichen Feststellungen ist dieser noch nicht erbracht.
3. Ein Zustellungsempfänger, der ein Schriftstück nicht erhalten haben will, muss in aller Regel Einzelheiten vortragen und glaubhaft machen, aus denen sich ergeben kann, dass aufgrund der konkreten Umstände ein Abhandenkommen der Sendung möglich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 1987 - 2 BvR 1007/97).‹
Normenkette
StPO § 329 Abs. 3, §§ 44-45, 37; ZPO §§ 180, 182, 418
Verfahrensgang
LG Detmold (Entscheidung vom 15.07.2009; Aktenzeichen 4 Ns 104/09) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Revision wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten beider Rechtsmittel trägt der Angeklagte einschließlich der dem Nebenkläger in den Rechtsmittelverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Detmold hat den Beschwerdeführer mit Urteil vom 23. Februar 2009 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Auf die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat der Vorsitzende der II. kleinen Strafkammer des Landgerichts Detmold Termin zur Hauptverhandlung zunächst auf den 24. Juni 2009 bestimmt, diesen Termin aufgrund der Verhinderung eines Zeugen auf Mittwoch, den 15. Juli 2009, 9.00 Uhr verlegt. Ausweislich der in der Akte befindlichen Postzustellungs urkunde vom 13. Mai 2009 ist dem Angeklagten an diesem Tag die Umladung durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt worden. Nachdem der Verteidiger des Angeklagten am Morgen des Hauptverhandlungstermins telefonisch mitgeteilt hatte, nicht aufzutreten und in der Berufungshauptverhandlung weder der Verteidiger noch der Angeklagte erschienen waren, hat das Landgericht die Berufung durch Urteil gemäß § 329 Abs. 1 StPO verworfen. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass der Angeklagte zwar rechtzeitig Berufung eingelegt habe, in dem Termin zur Hauptverhandlung aber ungeachtet der durch die Urkunde vom 13. Mai 2009 nachgewiesenen Ladung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben und auch nicht in zulässiger Weise vertreten worden sei.
Gegen dieses ihm am 21. Juli 2009 zugestellte Verwerfungsurteil hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 22. Juli 2009 Revision eingelegt und zugleich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung beantragt. Unter Vorlage einer von ihm selbst und von seiner Ehefrau abgegebenen eidesstattlichen Versicherung hat er sein Wiedereinsetzungsgesuch damit begründet, eine Ladung zu dem Hauptverhandlungstermin am 15. Juli 2009 nicht erhalten zu haben. Entweder sei die Niederlegung in einen "falschen Postkasten" erfolgt oder es sei davon auszugehen, dass die Post aus dem Briefkasten von unbekannten Personen entfernt worden sei.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 3. September 2009 hat das Landgericht den Wiedereinsetzungsantrag verworfen. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner sofortigen Beschwerde.
II.
Der gemäß § 46 Abs. 3 StPO statthaften sofortigen Beschwerde des Angeklagten ist in der Sache kein Erfolg beschieden.
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zu Recht verworfen.
In der Rechtsprechung ist überwiegend anerkannt, dass ein zum Termin nicht ordnungsgemäß geladener Angeklagter dem Säumigen gleichzustellen ist, obgleich ein Fall der Säumnis nicht gegeben ist. Danach ist auch dem Nichtsäumigen in entsprechender Anwendung der §§ 329 Abs. 3, 44, 45 StPO die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn ein Ladungsmangel vorliegt, dieser kausal für sein Nichterscheinen ist und er fristgerecht einen Wiedereinsetzungsantrag mit den nach §§ 44, 45 Abs. 2 StPO erforderlichen Tatsachenangaben stellt (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 329, Rn. 41 m.w.N.; OLG Köln in NStZ-RR 2002, 142; OLG Hamm in NStZ 1982, 521 f.; Senatsbeschlüsse vom 31. Juli 2008 - 3 Ss 288/08 m.w.N. und vom 15. Juli 2009 - 3 Ws 231/09). Der Antragstell...