Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmung zur vorzeitigen Abschiebung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Zweck der Ermächtigung des § 456 a StPO liegt in der Entlastung des Vollzugs bei Straftätern, die das Bundesgebiet aufgrund hoheitlicher Anordnung verlassen müssen und denen gegenüber die weitere Vollstreckung weder unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung noch unter dem der Prävention sinnvoll wäre.
2. Die genannten gesetzgeberischen Motive schließen zwar nicht aus, die persönlichen Verhältnisse und Belange eines Verurteilten, wenn dies geboten erscheint, bei der zu treffenden Entscheidung angemessen zu berücksichtigen. Diese stehen aber nicht im Vordergrund.
3. Mögliche Abwägungsfaktoren sind insbesondere die Umstände der Tat, die Schwere der Schuld, die bisherige Vollstreckungsdauer, die familiäre und persönliche Situation des Verurteilten und das öffentliche Inteesse an einer nachhaltigen Strafvollstreckung.
Normenkette
StPO § 456a; EGGVG §§ 23 ff.
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.
Der Geschäftswert wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Betroffene - ein türkischer Staatsangehöriger, der inzwischen bestandskräftig ausgewiesen ist - verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes, die das Landgericht Arnsberg mit Urteil vom 15.12.2000 gegen ihn verhängt hat. 15 Jahre der Strafe werden am 11.04.2015 verbüßt sein. Der Verurteilung lag zu Grunde, dass der Betroffene, nachdem das spätere Opfer ihre Beziehung zu ihm beendet hatte, diesem mehrfach nachgestellt und es schließlich an ihrem Arbeitsplatz unter Mitführung eines Messers aufgesucht und in Tötungsabsicht mit zahlreichen Messerstichen getötet hatte. Die Strafkammer sah das Mordmerkmal der "niedrigen Beweggründe" als gegeben an. Trotz des brutalen Vorgehens verneinte die Strafkammer die besondere Schwere der Schuld.
Der Betroffene hat (zuletzt) am 17.07.2012 bei der Staatsanwaltschaft Arnsberg beantragt, die Zustimmung zur vorzeitigen Abschiebung gem. § 456a StPO auf einen im Jahr 2012 liegenden Zeitpunkt zu erteilen. Dies haben die Staatsanwaltschaft Arnsberg und - auf die Beschwerde nach § 21 StVollstrO - der Generalstaatsanwalt in Hamm mit den angefochtenen Bescheiden abgelehnt.
Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Er hält die Entscheidung der Vollstreckungsbehörden für ermessensfehlerhaft. Mit einem schwerpunktartigen Abstellen auf die fiskalischen Interessen, die § 456a StPO zu Grunde lägen, sei der Betroffene mit seinen Interessen von vornherein nicht zum Zuge gekommen. Eine Privilegierung des Betroffenen gegenüber Inländern liege nicht vor, da die vorzeitige Abschiebung lediglich die Nachteile von Ausländern mit bestandskräftiger Ausweisungsverfügung (schwierigere Erlangung von Lockerungen nach den VV zu §§ 9, 10 StVollzG) kompensiere. Sprachliche und kulturelle Probleme von Ausländern im Vollzug kämen hinzu. Was der Bevölkerung vermittelbar sei, dürfe keine Rolle spielen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Betroffene durch die Ausweisung seine Heimat verliere. Auch setzten sich die Entscheidungen nicht mit der Erlasslage auseinander, warum eine Vollstreckung über die im Erlass vorgesehene Untergrenze von 10 Jahren hinaus erforderlich ist.
Der Generalstaatsanwalt in Hamm hat beantragt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Der Antrag ist gemäß §§ 23 ff. EGGVG zulässig, aber unbegründet.
Die angefochtene Entscheidung unterliegt nicht unbeschränkt der gerichtlichen Nachprüfung. Die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde, bei einem aus dem Inland auszuweisenden Verurteilten von der weiteren Vollstreckung abzusehen, liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Der Senat hat deshalb gemäß § 28 Abs. 3 EGGVG nur zu prüfen, ob bei der Ermessensentscheidung rechtsfehlerfrei verfahren wurde, ob also die Vollstreckungsbehörde von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie die Grenzen des Ermessens eingehalten und von ihm in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Um die gerichtliche Nachprüfung der Ermessensausübung zu ermöglichen, müssen die Gründe einer ablehnenden Entscheidung der Vollstreckungsbehörde die dafür wesentlichen Gesichtspunkte mitteilen und eine Abwägung der für und gegen ein Absehen von der weiteren Vollstreckung sprechenden Umstände erkennen lassen (OLG Hamm Beschl. v. 13.10.2011 - 1 VAs 58/11 = BeckRS 2012, 08399 m.w.N.; OLG Hamm NStZ 1983, 524; KG Berlin StraFo 2012, 337).
Diese eingeschränkte Überprüfung ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen.
Der Zweck der Ermächtigung des § 456a StPO liegt in der Entlastung des Vollzugs bei Straftätern, die das Bundesgebiet aufgrund hoheitlicher Anordnung verlassen müssen und denen gegenüber die weitere Vollstreckung weder unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung noch unter dem der Prävention sinnvoll wäre (OLG Frankfurt NStZ-RR 1999, 126; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 456a Rdn...