Leitsatz (amtlich)
Die zwecks Zustellung einer Antragsschrift angegebene Anschrift des Antragsgegners erfüllt nur dann die Voraussetzungen einer ladungsfähigen Anschrift i.S.d. §§ 253 Abs. 4, 130 Nr. 1 ZPO, wenn der Antragsgegner unter der angegebenen Anschrift mit gewisser Wahrscheinlichkeit angetroffen werden kann. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Anschrift der Mutter des Antragsgegners in Kasachstan angegeben und gleichzeitig vorgetragen wird, die Mutter bestreite, dass der Antragsgegner sich bei ihr aufhalte.
Normenkette
ZPO § 253 Abs. 4, § 130 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Warburg (Beschluss vom 04.01.2013; Aktenzeichen 11 F 60/12) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 8.1.2013 gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Warburg vom 4.1.2013 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen Scheidungsantrag.
Die Beteiligten, deutsche Staatsangehörige, schlossen am 5.12.1992 in Kasachstan miteinander die Ehe. Der Antragsgegner ist aus der Ehewohnung ausgezogen und nach der Behauptung der Antragstellerin am 6.7.2011 verschwunden.
Die Antragstellerin behauptet, vermutlich halte sich der Antragsgegner in Russland auf. Zu den Geburtstagen habe er die gemeinsamen Söhne angerufen; die entsprechende Vorwahl sei eine russische gewesen. Ihr sei es nicht gelungen, den Aufenthaltsort des Antragsgegners ausfindig zu machen. Sie habe - erfolglos - sowohl den Vater und die Schwester des Antragsgegners als auch zwei Nachbarn nach dem Aufenthaltsort gefragt. Ursprünglich hat sie behauptet, Freunde des Antragsgegners hätten auf Nachfrage behauptet, den Aufenthaltsort nicht zu kennen. Sodann hat sie behauptet, der Antragsgegner habe keine Freunde. Auch einen Arbeitgeber habe er nicht. Mithin sei der Scheidungsantrag öffentlich zuzustellen. Das AG wies mit Beschluss vom 6.8.2012 den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und den Antrag auf Bewilligung der öffentlichen Zustellung zurück. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde der Antragstellerin blieb erfolglos.
Die Antragstellerin hat nunmehr behauptet, der Antragsgegner halte sich möglichweise bei seiner Mutter in Kasachstan auf. Die Mutter des Antragsgegners habe indes ihr, der Antragstellerin, gegenüber bestritten, den Wohnort des Antragsgegners zu kennen.
Sie hat sodann ihren Verfahrenskostenhilfeantrag aufrechterhalten und beantragt, die Zustellung unter der Anschrift der Mutter des Antragsgegners in Kasachstan zu bewirken.
Das AG hat mit am 4.1.2013 erlassenen Beschluss den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Aufrechterhaltung des Verfahrenskostenhilfeantrages als neuer Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auszulegen sei. Da es aber an einer zustellungsfähigen Anschrift des Antragsgegners fehle, sei der Antrag zurückzuweisen gewesen. Eine Zustellung ohne Angabe der Anschrift des Antragsgegners könne nicht erfolgen. Zwar bestehe kein Erfordernis zwingend die Wohnanschrift anzugeben, da eine Zustellung an jedem Ort erfolgen könne, an dem sich der Antragsgegner aufhalte. Allerdings müsse eine Anschrift angegeben werden, bei welcher die ernsthafte Möglichkeit bestehe, dass dort eine ordnungsgemäße Zustellung vorgenommen werden könne. Die Angabe der Wohnanschrift der Mutter des Antragsgegners genüge nicht, da die Antragstellerin allein die Vermutung hege, dass der Antragsgegner sich dort aufhalte, zumal die Mutter des Antragsgegners bestreite, den Aufenthaltsort des Antragsgegners zu kennen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Ergänzend behauptet sie, sie gehe davon aus, dass der Antragsgegner unter der Wohnanschrift seiner Mutter aufhältig sei, zumal aufgrund von Telefonaten die Vorwahl Kasachstans erkennbar gewesen sei.
II. Diese Beschwerde ist nach den §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 ZPO, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig, aber nicht begründet. Die Entscheidung des Familiengerichts, der Antragstellerin die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe für das Scheidungsverfahren mangels hinreichender Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO) zu verweigern, hält dem Beschwerdeangriff stand.
1. Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift für beide Beteiligten ist trotz der Soll-Fassung des über §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG; 253 Abs. 4 ZPO anwendbaren § 130 Nr. 1 ZPO notwendiges Erfordernis. Ohne Anschrift kann der Antrag nicht an den Antragsgegner zugestellt werden. Der Anschrift des Antragsgegners bedarf es mithin, um durch Zustellung ein Verfahrensrechtsverhältnis begründen zu können (vgl. BGH, Urt. v. 31.10.2000 - VI ZR 198/99, NJW 2001, 885).
a) Zutreffend hat das AG darauf verwiesen, dass nicht zwingend die Wohnanschrift des Antragsgegners angegeben werden muss, da die Anschrift eines Beteiligten allein gewährleisten soll, dass die ernsthafte Möglichkeit besteht, dort eine ordnungsgemäße Zustellung vornehmen zu können und zwar durch Übergabe der Klageschrift an den Zustellungsempfänge...