Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafvollstreckung: zulässige Dauer von Organisationshaft
Leitsatz (amtlich)
1. Es erscheint fraglich, ob in Fragen der sog. Organisationshaft statt der sofortigen Beschwerde gemäß der §§ 462 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, 458 Abs. 1 StPO nicht die einfache Beschwerde gemäß § 304 StPO statthaft ist.
2. Hinsichtlich des Vollzugs von Organisationshaft hat der Verurteilte unter Berücksichtigung des Gebots des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG trotz prozessualer Überholung ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung, ob diese Organisationshaft rechtswidrig war.
3. Ein Verurteilter darf nur während der Zeit in Organisationshaft gehalten werden, die der technischen Durchführung der Maßregelvollstreckung nach unverzüglicher Vollstreckungseinleitung durch die Vollstreckungsbehörde dient, die - gleichfalls unverzüglich - die für den Vollzug notwendigen Maßnahmen trifft (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.09.2005 - 2 BvR 1019/01 -; OLG Hamm, Beschluss vom 25.11.2003 - 4 Ws 537+539/03 -; OLG Brandenburg, Beschluss vom 08.02.2000 - 2 Ws 337/99 -, jew. zit. n. juris). Der weitere Vollzug der Organisationshaft dürfte - sofern nicht besondere Umstände vorliegen - im Regelfall nur innerhalb einer Zeitspanne von nicht mehr als sechs Wochen ab Eintritt der Rechtskraft als zulässig anzusehen sein, innerhalb dessen ein geeigneter Therapieplatz gefunden, die Überführung des Verurteilten in den Maßregelvollzug herbeizuführen und damit der Vollzug der Organisationshaft zu beenden ist. Sobald feststeht, dass mangels eines zur Verfügung stehenden Therapieplatzes eine Überführung in den Maßregelvollzug jedenfalls nicht innerhalb der Regelzeitspanne möglich ist, stellt sich ist das bloße Zuwarten auf einen Therapieplatz als unzulässig vollzogene Organisationshaft dar (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 25.11.2003, a.a.O.).
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 2 S. 2, Art. 104 Abs. 1 S. 1; StPO §§ 304, 311 Abs. 1, § 458 Abs. 1, § 462 Abs. 1, 3 S. 1; StGB § 67
Verfahrensgang
LG Dortmund (Entscheidung vom 07.12.2019; Aktenzeichen 62 StVK 9/19) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde ist erledigt.
Es wird festgestellt, dass der (weitere) Vollzug der Organisationshaft vom 07. Februar 2019 bis zum 14. März 2019 unzulässig war.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Verurteilten werden der Landeskasse auferlegt.
Gründe
I.
Der Verurteilte ist durch Urteil der 34. großen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 07. Dezember 2018 wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren verurteilt worden. Zudem ist seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB angeordnet worden. Nachdem das Urteil am 15. Dezember 2018 rechtskräftig geworden war, wurde der Verurteilte, der sich seit dem 27. Juni 2018 in Untersuchungshaft befunden hatte, in so genannte Organisationshaft überführt. Zudem wurde eine vollstreckbare Ausfertigung der Urteilsformel unter dem 21. Dezember 2018 erteilt, welche am selben Tag bei der Staatsanwaltsanwaltschaft Dortmund einging. Am 28. Dezember 2018 fertigte die dort zuständige Rechtspflegerin ein Aufnahmeersuchen an den Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (im Weiteren: LWL), welches am selben Tag per Fax vorab dorthin übermittelt wurde. Am 04. Januar 2019 erhielt die zuständige Rechtspflegerin bei der Staatsanwaltschaft Dortmund auf telefonische Nachfrage die Mitteilung, dass eine Bearbeitung des Aufnahmeersuchens erst nach (Urlaubs-)Rückkehr des zuständigen Mitarbeiters am 08. Januar 2019 erfolgen könne. Durch Schreiben vom 07. Januar 2019, eingegangen bei der Staatsanwaltschaft Dortmund am 09. Januar 2019, teilte der zuständige Mitarbeiter des LWL der Staatsanwaltschaft Dortmund mit, dass er sich in Absprache mit den LWL-Vollzugskliniken und den LWL-Zentren für Forensische Psychiatrie darum bemühe, dem Verurteilten einen Therapieplatz zur Verfügung zu stellen; im Falle der Bestätigung eines Aufnahmetermins werde er die Staatsanwaltschaft Dortmund umgehend informieren. Bereits am 08. Januar 2019 hatte die zuständige Rechtspflegerin bei der Staatsanwaltschaft Dortmund die Vorlage an die zuständige Dezernentin zwecks Berichtes an das Ministerium der Justiz NRW gemäß §§ 46a Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 StVollstrO verfügt. Unter dem 15. Januar 2019 wurde der Bericht erstellt und am Folgetag (16. Januar 2019) vorab per Email an das Ministerium der Justiz NRW übersandt. Mit Schreiben des Ministeriums der Justiz NRW vom 18. Januar 2019 wurde der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug NRW sodann aufgefordert, "mit Nachdruck auf eine Unterbringung in einer Maßregelvollzugseinrichtung des Landes oder eines anderen Bundeslandes hinzuwirken". Am 06. Februar 2019 wurde der Staatsanwaltschaft Dortmund telefonisch vom LWL mitgeteilt, dass der Verurteilte am 15. März 2019 im LWL-Therapiezentrum für Forensische Psychi...