Leitsatz (amtlich)
1. Macht eine Partei geltend, der geschlossene Prozessvergleich sei (materiell-rechtlich) nichtig oder anfechtbar, so ist der ursprüngliche Rechtsstreit auf Antrag der Partei, die sich auf die Unwirksamkeit des Vergleichs beruft, fortzusetzen.
2. Der mit einem anwaltlich vertretenen und inzwischen unbemerkt geschäftsunfähig gewordenen Geschädigten im Anwaltsprozess geschlossene Vergleich ist wirksam, wenn er von einem Vertreter geschlossen worden ist, dem noch vor Eintritt der Geschäftsunfähigkeit Vollmacht erteilt worden ist.
Normenkette
BGB §§ 119, 123, 779
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 2 O 215/17) |
Tenor
Der Prozesskostenhilfeantrag des Klägers vom 09.09.2020 wird zurückgewiesen.
Eine Erstattung von außergerichtlichen Kosten findet nicht statt (§ 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).
Gründe
I. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus einer von dem Beklagten am 00.00.2014 begangenen Körperverletzung geltend gemacht, anlässlich derer der Kläger unmittelbar eine Riss-Quetschwunde des Nasenrückens, eine Nasenbeinfraktur und eine Fraktur der 9. Rippe links erlitt. Durch Urteil vom 13.03.2018 hat das Landgericht unter Zurückweisung des begehrten umfassenden Vorbehalts auf Zahlung eines Schmerzensgeldes iHv 2.000,- EUR erkannt. Gegen dieses Urteil hat sich die Berufung des Klägers gerichtet, mit der er ein weiteres Schmerzensgeld iHv 1.600,- EUR und die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für zukünftige immaterielle und alle weiteren materiellen Schäden begehrt hat. Im Senatstermin vom 08.09.2020 schlossen die anwaltlich vertretenen Parteien auf Vorschlag des Senats einen Vergleich, durch welchen sich der Beklagte - auch zur Abgeltung des Feststellungsantrages - zur Zahlung weiterer 3.000,- EUR verpflichtete.
Mit Schreiben vom 09.09.2020 beantragt der Kläger Prozesskostenhilfe für eine Fortsetzung des Verfahrens durch Ausspruch der Unwirksamkeit des geschlossenen Vergleichs. Der Kläger behauptet, in der mündlichen Verhandlung massiv unter Druck gestanden zu haben. Der Senat habe ihm keine einwöchige Bedenkzeit eingeräumt. Der Gesamtbetrag von 5.000,- EUR sei angesichts der Vielfältigkeit der aus der Körperverletzung resultierenden Folgeschäden zu niedrig.
II. Der Prozesskostenhilfeantrag des Klägers war zurückzuweisen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
Der Rechtsstreit ist durch den Prozessvergleich vom 08.09.2020 beendet. Der Prozessvergleich ist wirksam.
1. Macht eine Partei geltend, der geschlossene Prozessvergleich sei (materiell-rechtlich) nichtig oder anfechtbar, so ist der ursprüngliche Rechtsstreit auf Antrag der Partei, die sich auf die Unwirksamkeit des Vergleichs beruft, fortzusetzen. Der Rechtsstreit beschränkt sich zunächst auf die Klärung der Frage, ob der Vergleich wirksam ist oder nicht. Wird die Wirksamkeit des Vergleichs und damit auch die Erledigung des Rechtsstreits verneint, so kann hierüber ein Zwischenurteil nach § 303 ZPO ergehen. Wird der Vergleich als wirksam bewertet, so wird durch Endurteil ausgesprochen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt/beendet ist (BGH vom 29.07.1999 - III ZR 272/98 - juris, NJW 1999, 2903; OLG Hamm vom 22.10.2008 - 20 U 70/07 - juris, MDR 2009, 193; OLG Celle vom 05.08.2009 - 14 U 37/09 - juris).
2. Der Kläger hat seinem Prozessbevollmächtigten am 04.03.2020, Bl. 594, wirksam eine umfassende Prozessvollmacht erteilt. Nach ihrem gesetzlichen Umfang (§ 81 ZPO) hat diese Prozessvollmacht den Prozessbevollmächtigten des Klägers zur Beendigung des Rechtsstreits durch Vergleich ermächtigt. Deshalb ist der vom Senat protokollierte Vergleich durch die im Namen des Klägers und zudem mit dessen ausdrücklicher Zustimmung abgegebene Erklärung seines Prozessbevollmächtigten wirksam geworden.
3. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger - wie er behauptet - im Senatstermin massiv unter Druck gestanden habe. Es kann dahin gestellt bleiben, welche Folgerungen der Kläger aus seinem Zustand, er habe massiv unter Druck gestanden, ziehen möchte. Dass die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung in eigener Sache in einem Zivilprozess den Betreffenden in eine körperliche Anspannungssituation versetzt, ist gut nachvollziehbar. Dass das eigene Denkvermögen hierdurch aber ausgeschaltet wird, ist fernliegend und wird von dem Kläger auch nicht geltend gemacht. Hinweise darauf, dass der Kläger dem Gang der Verhandlung nicht zu folgen vermochte, hat der Senat nicht feststellen können. Im Ergebnis kann dies aber auch dahingestellt bleiben, weil es darauf nicht ankam. Denn der Vergleich ist in der mündlichen Verhandlung durch den vom Kläger mandatierten Rechtsanwalt geschlossen worden. Die Verfassung des Klägers zu diesem Zeitpunkt ist hingegen ohne Belang. Selbst der mit einem anwaltlich vertretenen und inzwischen unbemerkt geschäftsunfähig gewordenen Geschädigten im Anwaltsprozess geschlossene gerichtliche Vergleich ist wirksam, wenn er von einem Vertreter ...