Leitsatz (amtlich)
Die Ehefrau eines Geschädigten, der durch das schädigende Ereignis impotent geworden ist, kann in Ermangelung einer eigenen Rechtsgutverletzung kein Schmerzensgeld vom Schädiger verlangen.
Verfahrensgang
LG Hagen (Aktenzeichen 4 O 339/14) |
Tenor
weist der Senat nach Vorberatung darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin gegen das am 26.01.2017 verkündete Urteil des Landgerichts Hagen durch einstimmigen Senatsbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I.
Die Klägerin behauptet, dass ihr Ehemann infolge einer angeblich fehlerhaften und rechtswidrigen ärztlichen Behandlung, die in den Jahren 2010 und 2011 im Haus der Beklagten stattfand, impotent geworden sei. Sie begehrt ein Schmerzensgeld i.H.v. mindestens 20.000 EUR nebst Zinsen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren unverändert weiter.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die angefochtene Entscheidung hält rechtlicher Überprüfung stand. Sie beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, der Klägerin günstigere Entscheidung.
1. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, fehlt es bereits an der Verletzung eines eigenen Rechtsgutes der Klägerin als Voraussetzung eines vertraglichen oder deliktischen Schmerzensgeldanspruchs, vgl. § 253 Abs. 2 BGB.
Die Klägerin trägt selbst nicht vor, dass die behauptete Impotenz ihres Ehemanns bei ihr zu körperlichen oder psychischen Schäden geführt hätte. Sie macht lediglich einen faktischen "Verlust der Sexualität" geltend, wobei anzumerken ist, dass die behauptete Impotenz keinen vollständigen Verlust der ehelichen Sexualität bedeuten muss.
Entgegen der Ansicht der Klägerin stellt der (teilweise) Verlust ihrer ehelichen Sexualität keine Verletzung des Körpers, der Gesundheit oder des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung dar (vgl. OLG Köln VersR 2016, 796 Rn. 5). Es handelt sich lediglich um eine Auswirkung der behaupteten Impotenz auf das Leben der Klägerin, nicht aber um einen Eingriff in ihre Rechtsstellung. Insbesondere hat die Klägerin weiterhin die Möglichkeit, selbst über ihre Sexualität zu bestimmen. Dieses Recht der Klägerin wird durch die behauptete, rein faktische Einschränkung ihrer sexuellen Betätigungsmöglichkeiten nicht verletzt.
Die Rechtsauffassung der Klägerin hätte wohl zur Konsequenz, dass grundsätzlich in allen Fällen einer rechtswidrig und schuldhaft verursachten Einschränkung der Fähigkeit zur sexuellen Betätigung auch der Ehepartner des Geschädigten eigene Ansprüche geltend machen könnte. Dies würde etwa Verkehrsunfälle betreffen, bei denen der verheiratete Geschädigte eine Querschnittslähmung erleidet, ins Koma fällt oder gar stirbt. Dem Senat ist indes keine Gerichtsentscheidung bekannt, die einen entsprechenden Anspruch des Ehepartners bejahen würde.
Hinzu kommt, dass die Klägerin nicht zu ihrem ehelichen Sexualleben vor Beginn der streitgegenständlichen Behandlung vorgetragen hat. Die Beklagte hat ein "erfülltes Sexualleben" mit Nichtwissen bestritten (S. 8 der Klageerwiderung, Bl. 57 der Akten). Die Klage ist daher auch in tatsächlicher Hinsicht unschlüssig.
2. Ob der Ehemann der Klägerin tatsächlich impotent ist und ob gegebenenfalls die Beklagte hierfür verantwortlich wäre, kann dahinstehen.
3. Nach dem Gesagten kommt es auch nicht darauf an, ob die Klägerin in den Schutzbereich des von den Parteien geschlossenen Behandlungsvertrags einbezogen war bzw. ist. Die Frage der deliktsrechtlichen Zurechenbarkeit kann ebenfalls offen bleiben.
III.
Auch die weiteren Voraussetzungen einer Beschlusszurückweisung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2-4 ZPO sind erfüllt.
Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats durch Urteil. Die Rechtsauffassung des Senats weicht, soweit ersichtlich, nicht von anderen Gerichtsentscheidungen ab.
Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls nicht geboten. Der Rechtsstreit hat für die Klägerin, obwohl es sich um eine Arzthaftungssache handelt, keine existentielle Bedeutung.
Fundstellen
Haufe-Index 11009797 |
FamRZ 2018, 71 |
NZG 2017, 5 |
ZAP 2017, 949 |
MedR 2017, 971 |
FF 2017, 380 |