Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Schmerzensgeld der Ehefrau für - auf Behandlungsfehler beruhender - Impotenz des Ehemannes
Leitsatz (amtlich)
Weder unter dem Gesichtspunkt eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter noch unter dem Gesichtspunkt deliktischer Haftung besteht für eine Ehefrau ein Schmerzensgeldanspruch wegen dauerhafter Impotenz des Ehemannes, die dieser aufgrund einer Fehlmedikation erleidet.
Normenkette
BGB §§ 249, 253, 280, 611, 823
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 02.09.2015; Aktenzeichen 25 O 380/14) |
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 02.09.2015 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Köln - 25 O 380/14 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen, die Beklagte zugleich zur Erwiderung auf die Berufung der Klägerin.
Gründe
I. Die Berufung hat nach gründlicher Prüfung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO).
Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Schmerzensgeld. Ein Anspruch der Klägerin folgt weder aus §§ 280 Abs. 1, 611, 253 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, noch aus § 823 BGB. Die Argumente der Klägerin, die sich auf die Ausführungen von Ziegler und Rektorschek (VersR 2009, 181 ff.) beruft, vermögen unter Berücksichtigung der allgemeinen anerkannten und gefestigten Grundsätze des Haftungsrechts und insbesondere der haftungsrechtlichen Rechtsprechung nicht zu überzeugen.
1. Wie das LG zutreffend ausgeführt hat, haftet die Beklagte der Klägerin gegenüber nicht aus dem mit dem Ehemann der Klägerin geschlossenen Behandlungsvertrag in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Die Einbeziehung eines Dritten in die Schutzwirkungen eines Vertrags setzt voraus, dass Sinn und Zweck des Vertrags und die erkennbaren Auswirkungen der vertragsgemäßen Leistung auf den Dritten seine Einbeziehung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erfordern und eine Vertragspartei, für den Vertragsgegner erkennbar, redlicherweise damit rechnen kann, dass die ihr geschuldete Obhut und Fürsorge in gleichem Maße auch dem Dritten entgegengebracht wird (BGH, Urt. v. 06.05.2008, Az.: XI ZR 56/07, juris Rz. 27 = BGH NJW 2008, 2245, 2247). Um die vom Gesetzgeber gewollte Ausgestaltung von vertraglicher und deliktischer Haftung nicht aufzugeben, ist der begünstigte Personenkreis eng zu ziehen. Das vertragliche Haftungsrisiko muss kalkulierbar und versicherbar bleiben (BGH, Urt. v. 20.04.2004, Az.: X ZR 250/02, juris Rz. 25 f. = BGH NJW 2004, 3035, 3037 f.). Der Kreis der in den Vertragsschutz einbezogenen Dritten ist daher unter Beachtung einer sachgerechten Abwägung der Interessen der Beteiligten dahin zu begrenzen, dass der Dritte mit der Hauptleistung bestimmungsgemäß in Berührung kommt, ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten besteht, den Interessen des Schuldners durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung Rechnung getragen wird und der Dritte schutzbedürftig ist (BGH, Urt. v. 06.05.2008, Az.: XI ZR 56/07, juris Rz. 27 = BGH NJW 2008, 2245, 2247 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Schon an der erforderlichen Leistungsnähe fehlt es hier. Eine solche liegt vor, wenn der Dritte bestimmungsgemäß mit der vertraglichen Hauptleistung in Berührung kommt und nach der Anlage des Vertrags den Leistungsgefahren in ähnlicher Weise ausgesetzt ist wie der Gläubiger selbst (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2000, Az.: X ZR 203/98 = NJW 2001, 514, 516; OLG Koblenz, Urt. v. 02.04.2014, Az.: 5 U 311/12 = BeckRS 2014, 08625). Die Klägerin ist den Gefahren einer fehlerhaften Behandlung nicht bestimmungsgemäß und in gleicher Weise ausgesetzt wie ihr Ehemann. Vielmehr ist sie, wie das LG zutreffend ausgeführt hat, allenfalls mittelbar betroffen. Die von der Klägerin geltend gemachten Beeinträchtigungen sind ohne vorherige Verletzung ihres Ehemanns nicht denkbar. Insofern unterscheidet sich der Fall von klassischen Konstellationen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, in denen der in den Schutzbereich einbezogene Dritte unabhängig von möglichen Verletzungen des Vertragspartners den typischen Gefahren des Vertrags selbst unmittelbar in gleicher Weise ausgesetzt ist wie der Vertragspartner selbst. Soweit die Rechtsprechung eine Ausdehnung der vertraglichen Haftung des Schuldners gegenüber Dritten auch in Fällen annimmt, in denen die Schlechterfüllung des Vertrags gleichzeitig sowohl beim Vertragspartner als auch bei einem Dritten einen Schaden auslösen kann, wie etwa in Fällen der fehlgeschlagenen Sterilisation (