Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherung: wirksame Klausel zu einer Mehrfachverletzung
Leitsatz (amtlich)
Zu einer Unfallversicherung, die besondere Leistungen verspricht bei "Fraktur an zwei langen Röhrenknochen (Ober-/Unterarm, Ober-/Unterschenkel) an zwei unterschiedlichen Gliedmaßenabschnitten": Nach dem klaren Wortlaut sind Frakturen an Schien- und Wadenbein desselben Beins nicht erfasst. Die Regelung - wie im Streitfall vereinbart - ist auch wirksam.
Tenor
I. Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, ihre Berufung gegen das am 09.01.2023 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen (§ 522 II ZPO).
II. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme, auch dazu, ob die Berufung aus Kostengründen zurückgenommen wird, innerhalb von 4 Wochen ab Zustellung.
Gründe
Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.
Zu Recht und mit zutreffenden Gründen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Senat macht sich zwecks Vermeidung von Wiederholungen die zutreffenden Gründe in dem angefochtenen Urteil zu eigen. Die Einwände der Klägerin hiergegen bleiben ohne Erfolg.
1. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Leistungen nicht zu. Die Klägerin hat durch den von ihr behaupteten Unfall keine Fraktur an zwei langen Röhrenknochen an zwei unterschiedlichen Gliedmaßenabschnitten iSv von Ziff. 2.2.4.1.1, 6. Spiegelstrich der vereinbarten AUB stehen erlitten. Dies wird von der Klägerin in der Berufungsinstanz auch nicht mehr in Abrede gestellt. Soweit sie in erster Instanz noch die Auffassung vertreten hat, dass bei einem Bruch von Schienbein und Wadenbein die Voraussetzungen der Klausel erfüllt seien, ist dies angesichts des eindeutigen und nicht anders zu verstehenden Wortlautes von Ziff. 2.2.4.1.1, 6. Spiegelstrich AUB nicht nachzuvollziehen, da eben nicht "zwei unterschiedliche Gliedmaßenabschnitte betroffen sind.
Nur am Rande wird darauf hingewiesen, dass in der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Frankfurt/M., Urteil vom 25. 6. 1997 - 7 U 133/96 (r + s 1998, 80, beck-online) sogar eine Klausel, nach deren Wortlaut eine "Fraktur an zwei langen Röhrenknochen (Ober/Unterarm, Ober-/Unterschenkel)" - also ohne den hier vereinbarten klarstellenden Zusatz "an zwei unterschiedlichen Gliedmaßenabschnitten" - Voraussetzung für die Leistung war, so ausgelegt worden ist, dass diese Frakturen an zwei unterschiedlichen Gliedmaßen eingetreten sein müssen und damit der Bruch zweier Röhrenknochen des gleichen Gliedmaßes nicht als schwere Mehrfachverletzung i.S.d. Bedingungen zu verstehen ist.
2. Die Klausel ist entgegen der - erstinstanzlich vertretenen - Ansicht der Klägerin auch nicht unklar iSv § 305c II BGB. Diese Vorschrift, wonach Zweifel bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulasten des Verwenders gehen, greift nur ein, wenn die Möglichkeiten der Auslegung erschöpft sind und objektive Mehrdeutigkeiten verbleiben.
Hiervon kann angesichts des - der Senat wiederholt sich - eindeutigen, unmissverständlichen Wortlauts keine Rede sein. Die Klausel kann nicht anders dahin ausgelegt werden, dass die versicherte Person als unmittelbare Folge des Unfalls Frakturen an zwei langen Röhrenknochen an zwei unterschiedlichen Gliedmaßenabschnitten erlitten haben muss.
3. Die Klausel ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht "versteckt", also iSv § 305c I BGB überraschend.
Die Klägerin verkennt bei ihrer Argumentation bereits, dass es sich bei der in Rede stehenden Klausel eben nicht um eine "Ausschlussklausel", sondern um eine (primäre) Leistungsbeschreibung handelt. In Ziff. 2.2.4.1.2 AUB werden die Voraussetzungen einer bedingungsgemäßen Schwerverletzung, für welche in dem Versicherungsschein Leistungen versprochen werden, erst definiert. Alleine dem Begriff der im Versicherungsschein erwähnten "Schwerverletzung" kann ein Versicherungsnehmer, wie auch den anderen Begriffen (wie zB "Invaliditätsleistungen") nicht entnehmen, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte die versprochenen Leistungen schuldet. Der Versicherungsnehmer wird sich daher - zwangsläufig - anhand der Allgemeinen Versicherungsbedingungen über die Voraussetzungen der einzelnen Leistungen informieren. Dann aber wird er - zwangsläufig - die Ziff. 2.2.4.1.2 AUB zur Kenntnis nehmen. Er wird dieser Klausel entnehmen, dass dort der Begriff der Schwerverletzung durch die die sodann aufgeführten Verletzungen definiert wird. Der Wortlaut der Klausel, wonach die versicherte Person eine der "folgenden Schwerverletzungen" (welche sodann in den einzelnen Spiegelstrichen aufgeführt werden) erlitten haben muss, ist eindeutig.
Die hier in Rede stehende, im 6. Spieg...