Leitsatz (amtlich)
Eine Einstellung oder Beschreibung der Vollstreckung ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung eines nicht zu ersetzenden Nachteils sieht der FamFG nicht vor.
Normenkette
FamFG § 120 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Beckum (Beschluss vom 16.07.2010; Aktenzeichen 7 F 281/09) |
Tenor
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung aus dem am 16.7.2010 verkündeten Beschluss des AG - Familiengerichts - Beckum wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Das AG - Familiengericht - hat den Antragsgegner und Beschwerdeführer dazu verpflichtet, an die Antragstellerin Trennungsunterhalt in näher festgelegter Höhe zu zahlen. Hiergegen hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt und gleichzeitig beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Beschluss - notfalls gegen Sicherheitsleistung- einzustellen. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, der Trennungsunterhalt sei durch das Ausgangsgericht unrichtig festgesetzt worden.
II. Der nach § 120 Abs. 2 Satz 2, 3 FamFG statthafte Antrag auf Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung ist nicht begründet.
1. Gemäß § 120 Abs. 2 Satz 2, 3 FamFG hat das Gericht die Vollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft in der Endentscheidung auf Antrag einzustellen oder zu beschränken, wenn der Verpflichtete glaubhaft macht, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.
Die Vorschrift des § 120 Abs. 2 FamFG über die Einstellung der Zwangsvollstreckung ist dem § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nachgebildet (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 16/6308, 226). Sie ist - ebenso wie die arbeitsgerichtliche Vorschrift, welche als Vorlage diente - eng auszulegen.
Beide Vorschriften verfolgen das Ziel, die Vollstreckungsmöglichkeiten aus Rechtstiteln, welche regelmäßig den Lebensunterhalt des Gläubigers sicherstellen, zu stärken (vgl. Griesche, FamRB 2009, 258, 260; Borth/Grandel/Musielak, Familiengerichtliches Verfahren, § 120 Rz. 4; Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 16/6308, 412). Der Gesetzgeber hat sich bei der Fassung dieser Vorschriften terminologisch an § 712 ZPO angelehnt und nicht etwa an § 710 ZPO, der bereits einen schwer zu ersetzenden oder schwer abzusehenden Nachteil genügen lässt.
Grundsätzlich sollen arbeitsgerichtliche Titel für den Gläubiger schnell und unkompliziert durchzusetzen sein, und dieser Grundsatz darf nicht dadurch aufgeweicht werden, dass die Ausnahmevorschrift des § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG allzu großzügig ausgelegt wird (Nieders. LAG, Beschl. vom 19.3.2009 - 10 Sa 1681/08 m.w.N.). Diese für das arbeitsgerichtliche Verfahren getroffenen Wertungen hat der Gesetzgeber für Vollstreckungstitel nach dem FamFG übernommen, indem er § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG der arbeitsgerichtlichen Vorschrift nachbildete und überdies in § 120 Abs. 2 Satz 3 FamFG anordnete, dass auch in den Fällen des § 707 Abs. 1 und des § 719 Abs. 1 ZPO die Vollstreckung nur unter denselben Voraussetzungen - nämlich bei Vorliegen eines nicht zu ersetzenden Nachteils - eingestellt oder beschränkt werden kann.
Eine Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung eines sonst nicht zu ersetzenden Nachteils sieht das mit der Einführung des FamFG geänderte Familienverfahrensrecht nicht (mehr) vor. Die vom Bundesrat geäußerten Bedenken, dass der Schutz des Vollstreckungsschuldners durch diese Regelung nur unzureichend verwirklicht werde (BT-Drucks. 16/6308, 373), wurden im weiteren Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich unter Hinweis auf die vom Familiengericht nach § 116 Abs. 3 Satz 2, 3 FamFG zu treffende Güterabwägung zurückgewiesen (BT-Drucks. 16/6308, 412).
2. Das Vorliegen der nach § 120 Abs. 2 FamFG erforderlichen Einstellungsvoraussetzungen hat der durch den Unterhaltstitel verpflichtete Ehemann weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Er hat insbesondere nicht dargelegt, dass ihm die bevorstehende Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil brächte.
Ein nicht zu ersetzender Vollstreckungsnachteil liegt nicht bereits darin, dass eine Vollstreckung bevorsteht, welche im Falle eines Erfolgs des in der Hauptsache eingelegten Rechtsmittels rückgängig gemacht werden müsste. Ein nicht zu ersetzender Nachteil läge dann vor, wenn durch die vorläufige Vollstreckung ein Schaden entstünde, welcher auch bei einem erfolgreichen Rechtsmittel nicht rückgängig gemacht werden könnte (Griesche, FamRB 2009, 258, 261; MünchKommFamFG/Fischer, § 120 Rz. 11; Schulte-Bunert in Weinreich/Schulte-Bunert, FamFG, § 120 Rz. 4 sowie die Regierungsentwurfsbegründung BT-Drucks. 16/6308, 226). Solche Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall jedoch nicht dargelegt.
3. Zwar hat sich in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur ein Meinungsstreit darüber entwickelt, ob und mit welchem Einfluss die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels im Rahmen des Begriffs des nicht zu ersetzenden Nachteils mit zu berücksichtigen seien (vgl. die Darstellung des Streitstandes bei Nieders. LAG, Beschl. vom 19.3.2009 - 10 ...