Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen der Einstellung der Zwangsvollstreckung in Unterhaltssachen nach § 120 Abs. 2 FamFG.
Normenkette
FamFG § 120 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Essen (Beschluss vom 15.06.2011; Aktenzeichen 105 F 116/11) |
Tenor
Der Antrag des Antragsgegners, die Vollstreckung aus dem Beschluss des AG - Familiengerichts - Essen vom 15.6.2011 einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Das AG - Familiengericht - Essen hat den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin rückständigen Trennungsunterhalt für die Monate November 2009 bis April 2010 i.H.v. 2.835,48 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners; gleichzeitig hat er beantragt, die Vollstreckung aus dem angefochtenen Beschluss gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass er Trennungsunterhalt erst ab Abschluss des am 28.4.2010 abgeschlossenen gerichtlichen Vergleichs zahlen müsse.
II. Der nach § 120 Abs. 2 Satz 2, 3 FamFG statthafte Antrag auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung ist nicht begründet:
1. Gemäß § 120 Abs. 2 Satz 2, 3 FamFG hat das Gericht die Vollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft in der Endentscheidung auf Antrag einzustellen oder zu beschränken, wenn der Verpflichtete glaubhaft macht, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Auch in den Fällen des § 707 Abs. 1 ZPO und des § 719 Abs. ZPO kann die Vollstreckung wegen § 120 Abs. 2 S. 3 FamFG nur eingestellt werden, wenn ein nicht zu ersetzender Nachteil glaubhaft gemacht wird (vgl. Philippi, in Zöller, Kommentar zur, ZPO, 28. Aufl., § 120 FamFG Rz. 4). Die Vollstreckung führt grundsätzlich zu einem nicht zu ersetzenden Nachteil, wenn im Falle der Abänderung des Vollstreckungstitels der Gläubiger voraussichtlich wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage sein wird, den zu Unrecht gezahlten Geldbetrag zurückzuzahlen (vgl. BGH NJW-RR 2007, 1138 für Forderungen außerhalb des Unterhaltsrechts; OLG Rostock FamFR 2011, 306; Herget, in Zöller, a.a.O., § 707 ZPO Rz. 13).
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats gilt dieser Grundsatz nach Einführung des FamFG unter Berücksichtigung von § 116 Abs. 3 S. 3 FamFG aber nicht mehr zwangsläufig für Unterhaltsforderungen (vgl. auch OLG Hamm - 11. FamS - FamRZ 2011, 589; Griesche, FamRB 2009, 258, 261 m.w.N.; Rasch, FPR 2010, 150, 152; Weber, in: Keidel, Kommentar zum FamFG, 16. Aufl. 2010, § 120 FamFG Rz. 17). Denn der Gesetzgeber hat das im Zivilprozess herrschende System der vorläufigen Vollstreckbarkeit einschließlich der durch die §§ 709, 719 ZPO eröffneten weiten Ermessens- und Abwägungsspielräume bewusst nicht in das FamFG übernommen. Durch § 116 Abs. 3 S. 3 FamFG hat er die sofortige Wirksamkeit von Unterhaltstiteln wegen deren besonderer Bedeutung zur Sicherung des Lebensbedarfs vielmehr zum Regelfall erklärt und die Einstellung der Vollstreckung ausdrücklich an das enge Kriterium des nicht zu ersetzenden Nachteils geknüpft (vgl. OLG Hamm FamRZ 2011, 589, 590). Dass ein Anspruch auf Rückzahlung von überzahltem Unterhalt bei nach § 116 Abs. 3 FamFG vorrangiger Bedeutung des Unterhalts für die Sicherung des Lebensbedarfs nicht realisierbar sein kann, ist danach eine normale Folge der Zwangsvollstreckung (vgl. Griesche, a.a.O.; Rasch, a.a.O.). Denn es ist typisch für das Unterhaltsverhältnis, dass die zur Sicherung des Lebensbedarfs benötigten Mittel vom Unterhaltsbedürftigen verbraucht werden und in der Regel nicht zurückgezahlt werden können.
2. Diese strengen Voraussetzungen des § 120 Abs. 2 FamFG für eine Einstellung der Vollstreckung hat der durch den Unterhaltstitel verpflichtete Antragsgegner weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Er hat insbesondere nicht dargelegt, dass ihm die bevorstehende Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringt. Die Gefahr, den möglicherweise zu viel gezahlten Unterhalt nicht zurück erhalten zu können, genügt dafür aus den genannten Gründen nicht. Überdies ist die Gefahr, die titulierten 2.835,48 EUR nebst Zinsen nicht zurück erhalten zu können, auch nicht dargelegt. Denn nach dem Inhalt des Vergleichs vom 28.4.2010 dürfte die Antragstellerin über monatliche Einkünfte von insgesamt 2.500 EUR (Unterhalt + Eigeneinkommen) verfügen. Dieses Einkommen dürfte es ihr ohne weiteres ermöglichen, den titulierten Betrag zurückzuzahlen, sollte sie in der Beschwerdeinstanz dazu verpflichtet werden.
Fundstellen
Haufe-Index 2847485 |
FamRZ 2012, 730 |
FuR 2012, 445 |
FF 2012, 263 |