Entscheidungsstichwort (Thema)
Freie Beweiswürdigung. Übernahme der tatsächlichen Feststellungen eines Strafurteils. Polygraph
Leitsatz (amtlich)
Das Zivilgericht kann seiner Entscheidung die tatsächlichen Feststellungen eines Strafurteils nach eigener kritischer Prüfung im Rahmen der eigenen freien Beweiswürdigung und der Überzeugungsbildung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO zugrundelegen.
Die polygraphische Untersuchung stellt kein geeignetes Beweismittel zur Entkräftung der tatsächlichen Feststellungen eines Strafurteils dar.
Normenkette
BGB § 823; ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Münster (Entscheidung vom 18.11.2011; Aktenzeichen 016 O 227/11) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 3) gegen den Beschluss des Landgerichts Münster vom 18.11.2011 in der Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 12.01.2012 wird zurückgewiesen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Gründe
I.
Die Klägerin macht, resultierend aus der vorsätzlichen Tötung ihres Ehemannes am 05.08.2008 in M, gegen den Beklagten und die weiteren vier am Beschwerdeverfahren nicht beteiligten Beklagten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend. Die Beklagten sind durch Urteil des Landgerichts Münster vom 18.06.2009 - 1 KLs 30 Js 202/08 (27/08) - des Totschlags für schuldig befunden und zu langjährigen Freiheitsstrafen - der Beklagte zu 3 zu einer Jugendstrafe - verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hat durch Urteil vom 15.04.2010 - 4 StR 650/09 - das Urteil des Landgerichts unter Verwerfung der weitergehenden Revisionen sämtlicher Beklagter in den Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Durch inzwischen rechtskräftiges Urteil der 3. Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Münster vom 04.01.2011 - 3 KLs 30 Js 202/08 (15/10) - ist der Beklagte zu 3) zu einer Jugendstrafe von 6 Jahren verurteilt worden.
Die Klägerin verlangt mit der vorliegenden Klage, soweit dies für das vorliegende Beschwerdeverfahren noch von Belang ist, von allen Beklagten gesamtschuldnerisch ein Schmerzensgeld von 50.000,- €.
Der Beklagte zu 3) hat behauptet, er sei in den von den anderen Beteiligten zuvor gefassten Tötungsbeschluss nicht eingeweiht gewesen. Er habe in das Geschehen nur eingegriffen, nachdem der Ehemann der Klägerin seinem - des Beklagten zu 3) - Vater (der Beklagte zu 2) - einen Faustschlag versetzt habe, um diesen so in Schutz zu nehmen. Außerdem habe er sich inzwischen im Rahmen eines forensisch -physiopsychologischen Gutachtens unter Verwendung eines Polygraphen einer Verdachtsabklärung unterzogen. Diese habe ergeben, dass er das Opfer nicht festgehalten und auch nicht verhindert habe, dass dieses sich erheben konnte, als sein Onkel - der Beklagte zu 1 - auf dieses eingestochen habe. Auch habe er das Opfer nicht an der Flucht gehindert.
Durch Beschluss vom 18.11.2011 hat das Landgericht dem Beklagten zu 3) zur Verteidigung gegenüber dem Schmerzensgeldverlangen der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit dieses einen Betrag von 30.000,- € übersteigt. Der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde des Beklagten zu 3) hat das Landgericht nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Mit zutreffenden Ausführungen hat das Landgericht dem Beklagten zu 3) Prozesskostenhilfe verweigert, soweit er sich gegenüber einem Schmerzensgeldverlangen der Klägerin bis zu einem Betrag von 30.000,- € verteidigt. Insoweit bietet die Rechtsverteidigung des Beklagten zu 3) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug, von denen abzuweichen das Beschwerdevorbringen keinen Anlass gibt.
Das Beschwerdevorbringen gibt lediglich zu den nachstehenden ergänzenden Ausführungen Anlass.
Ein Zivilgericht kann sich zum Zweck seiner eigenen Überzeugungsbildung, ob sich ein bestimmtes Geschehen zugetragen hat, auf ein dazu ergangenes Strafurteil stützen. Dem steht nicht entgegen, dass die in einem strafrichterlichen Urteil enthaltenen Feststellungen von Tatsachen für die zu derselben Frage erkennenden Zivilgerichte grundsätzlich nicht bindend sind. Die tatsächlichen Feststellungen in einem Strafurteil können aber im Rahmen der eigenen freien Beweiswürdigung und der Überzeugungsbildung des Zivilrichters im Sinne von § 286 Abs. 1 ZPO Berücksichtigung finden, wobei das Urteil, wenn eine Partei sich zu Beweiszwecken darauf beruft, im Wege des Urkundsbeweises gemäß §§ 415, 417 ZPO zu verwerten ist. Allerdings darf der Zivilrichter die vom Strafgericht getroffenen Feststellungen nicht ungeprüft übernehmen; er hat vielmehr die in der Beweisurkunde dargelegten Feststellungen einer eigenen kritischen Prüfung zu unterziehen (OLG Zweibrücken, NJW-RR 2011, 496; OLG München, Beschluss v. 21.09.2011 - 7 U 2719/11 - ; Senat, Beschluss v. 03.05.2012 - 9 U 182/11 -).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bestehen keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der Beklagte zu 3) die ihm vorgeworfene Stra...