Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterliche Sorge: Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Kindesvater bei nicht verheirateten Eltern
Leitsatz (amtlich)
Nach den vom BVerfG entwickelten Übergangsregelungen kann das Familiengericht in Erweiterung der engen Tatbestandsvoraussetzungen in § 1672 I BGB bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung die elterliche Sorge ganz oder teilweise auf Antrag eines Elternteils - auch im Rahmen einer einstweiligen Anordnung - auf den (nichtehelichen) Kindesvater übertragen, soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.7.2010, Az: 1 BvR 420/09, FamRZ 2010, 1403, Juris, Rz. 76).
Normenkette
BGB § 1672
Verfahrensgang
AG Bottrop (Beschluss vom 09.08.2010; Aktenzeichen 19 F 302/10) |
Tenor
Die Beschwerde der Kindesmutter vom 30.8.2010 gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bottrop vom 9.8.2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Kindesmutter zur Last.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das betroffene Kind K ging aus einer nichtehelichen Beziehung zwischen den Beteiligten zu 2) und 3) hervor. Eine gemeinsame Sorgerechtserklärung zwischen den Kindeseltern i.S.v. § 1626a I Ziff. 1 BGB besteht nicht.
Die Kindesmutter, welche K seit seiner Geburt betreut und versorgt, lebte zunächst bei ihren Eltern in X (C2) im Landkreis P. Im Frühherbst 2009 verzog sie gemeinsam mit K und ihrer jüngeren Tochter L1, welche nicht vom Antragsteller abstammt, nach C3 zu ihrem jetzigen Ehemann I. Aus dieser Beziehung ging im Juli 2010 ein weiteres Kind hervor.
Der Kindesvater lebt mit seiner Partnerin O in C4. Beide erwarten ein gemeinsames Kind.
Auch K hält sich seit dem 9.8.2010 im Haushalt des Kindesvaters in C4 auf. Zum 1.9.2010 ist er dort in einen Kindergarten aufgenommen worden.
Durch den angegriffenen Beschluss vom 9.8.2010 hat das AG - Familiengericht - Bottrop im Wege einstweiliger Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie das Recht für die schulischen Belange für K auf den Kindesvater allein und die elterliche Sorge im Übrigen auf beide Kindeseltern gemeinsam übertragen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kindesmutter vom 30.8.2010, mit der sie sich ausschließlich gegen die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes und des Rechtes für die schulischen Belange auf den Kindesvater wendet.
II.A. Die Beschwerde ist gem. §§ 58 I, 57 S. 2, Ziff. 1 FamFG statthaft.
Sie ist zulässig, insbesondere innerhalb der Beschwerdefrist nach § 63 II Ziff. 1 FamFG eingelegt worden.
In der Sache ist die Beschwerde jedoch nicht begründet.
Die vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes und des Rechtes für die schulischen Belange auf den Kindesvater ist nach den weitergehenden Ermittlungen nicht zu beanstanden.
1. Entgegen der insoweit missverständlichen Formulierung im Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung ist davon auszugehen, dass das AG die elterliche Sorge der Kindesmutter nicht teilweise gem. § 1666 I, 1666a I BGB entzogen sondern unmittelbar von der Kindesmutter aus den Kindesvater übertragen hat. Denn in seinen Entscheidungsgründen nimmt das AG ausdrücklich auf § 1672 BGB i.V.m. mit dem Beschluss des BVerfG vom 21.7.2010 (Az: 1 BvR 420/09) Bezug. Danach ist es bis zu einer entsprechenden Neuregelung durch den Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die elterliche Sorge ausnahmsweise auch ohne Zustimmung der bislang allein sorgeberechtigten Kindesmutter auf den nichtehelichen Kindesvater zu übertragen.
a) In seinen Entscheidungsgründen weist das BVerfG auf den Charakter der elterlichen Sorge als einen "essentiellen Bestandteil" des von Art. 6 II GG geschützten Rechtes der Eltern auf Pflege und Erziehung des eigenen Kindes hin (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.7.2010, Az: 1 BvR 420/09, FamRZ 2010, 1403, Juris, Rz. 47). Dieses Elternrecht wird in der Person eines nichtehelichen Vaters dadurch verletzt, dass ihm der Zugang zur Sorgerechtsausübung für sein Kind im Fall der Verweigerung der Zustimmung durch die Kindesmutter generell verwehrt wird. Denn durch §§ 1626a I Ziff. 1, 1672 I BGB wird ihm keine Möglichkeit eingeräumt, gegen den Willen der Mutter gerichtlich überprüfen zu lassen, ob es aus Gründen des Wohls seines Kindes angezeigt ist, ihm gemeinsam mit der Kindesmutter die Sorge für das Kind einzuräumen oder ihm anstelle der Mutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.7.2010, Az: 1 BvR 420/09, FamRZ 2010, 1403, Juris, Rz. 46).
Durch die Abhängigkeit der Beteiligung des nichtehelichen Kindesvaters an der gemeinsamen Sorge vom Willen der Kindesmutter setzt der Gesetzgeber bislang das Elternrecht des Vaters in unverhältnismäßiger Weise generell hinter das Elternrecht der Mutter zurück, ohne dass dieses durch die Wahrung des Kindeswohls geboten ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.7.2010, Az: 1 BvR 420/09, FamRZ 2010, 1403, J...