Leitsatz
Aus der Beziehung der nicht miteinander verheirateten Eltern war ein Sohn hervorgegangen. Eine gemeinsame Sorgerechtserklärung hatten die Eltern nicht abgegeben.
Das Kind wurde zunächst von der Kindesmutter betreut und lebte sodann nach der Trennung der Eltern bei den Eltern der Mutter. Im Frühjahr 2009 verzog sie gemeinsam mit dem Sohn und ihrer jüngeren Tochter, die nicht von dem Antragsteller abstammte, zu ihrem jetzigen Ehemann. Aus dieser Beziehung war im Juli 2010 ein weiteres Kind hervorgegangen.
Der Kindesvater lebte mit seiner Partnerin an einem anderen Ort. Beide erwarteten ein gemeinsames Kind. Auch der Sohn hielt sich seit dem 9.8.2010 im Haushalt des Kindesvaters auf. Zum 1.9.2010 wurde er dort in den Kindergarten aufgenommen.
Auf Antrag des Vaters hat das AG mit Beschluss vom 9.8.2010 im Wege einstweiliger Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie das Recht für die schulischen Belange für den Sohn auf den Kindesvater allein und die elterliche Sorge im Übrigen auf beide Kindeseltern gemeinsam übertragen.
Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Kindesmutter, mit der sie sich gegen die Übertragung von Teilbereichen der elterlichen Sorge auf den Kindesvater wandte.
Ihr Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG wies unter Hinweis auf den Beschluss des BVerfG vom 21.7.2010 (Az: 1 BvR 420/09) darauf hin, dass es bis zu einer entsprechenden Neuregelung durch den Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen möglich sei, die elterliche Sorge ausnahmsweise auch ohne Zustimmung der bislang allein sorgeberechtigten Kindesmutter auf den nichtehelichen Kindesvater zu übertragen.
Durch die Abhängigkeit der Beteiligung des nichtehelichen Kindesvaters an der gemeinsamen Sorge vom Willen der Kindesmutter setzte der Gesetzgeber bislang das Elternrecht des Vaters in unverhältnismäßiger Weise generell hinter das Elternrecht der Mutter zurück, ohne dass dieses durch die Wahrung des Kindeswohls geboten sei (BVerfG a.a.O.).
Bislang habe sich der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang von der Erwägung leiten lassen, die Zustimmungsverweigerung der Kindesmutter basiere in aller Regel auf einem sich nachteilig auf das Kind auswirkenden elterlichen Konflikt. Sie werde von Gründen getragen, die der Wahrung des Kindeswohls dienen und nicht den Eigeninteressen der Mütter folgen würden.
Insbesondere neuere empirische Erkenntnisse bestätigten diese Annahme des Gesetzgebers jedoch nicht. In aktuellen Untersuchungen seien häufig persönliche Wünsche der Mütter hervorgetreten. So sei oftmals als Begründung für die Verweigerung der Zustimmung angegeben worden, man wolle die Alleinsorge behalten, um allein über die Angelegenheiten des Kindes entscheiden zu können. Man wolle sich also nicht mit dem Vater darauf verständigen und nichts mit dem Vater zu tun haben (BVerfG a.a.O.).
Vor diesem Hintergrund habe das BVerfG die §§ 1626a I Ziff. 1, 1672 Abs. 1 BGB als mit Art. 6 II GG unvereinbar und deshalb für verfassungswidrig erklärt. Zugleich habe es Übergangsregelungen geschaffen, um den Fachgerichten bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber eine Rechtsgrundlage nicht nur im Einklang mit Art. 6 II GG, sondern darüber hinaus auch mit Art. 14 i.V.m. Art. 8 EMRK zu gewährleisten und eine Aussetzung einschlägiger Sorgerechtsverfahren entsprechend dem verfahrensrechtlichen Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen zu vermeiden.
Danach könne das FamG in Erweiterung der engen Tatbestandsvoraussetzungen in § 1672 Abs. 1 BGB bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung die elterliche Sorge ganz oder teilweise auf Antrag eines Elternteil auf den (nichtehelichen) Kindesvater übertragen, soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht komme und zu erwarten sei, dass dies dem Kindeswohl am besten entspreche.
Diese Voraussetzungen hielt das OLG nach summarischer Prüfung für erfüllt.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Beschluss vom 07.10.2010, II-2 WF 211/10