Leitsatz (amtlich)
1.
Zum erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen bei der Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung, wenn der Betroffene ein Geständnis abgelegt hat.
2.
Dem Tatrichter steht, wenn er von einem Regelfahrverbot absehen will, kein rechtlich ungebundenes freies Ermessen zu. Deshalb hat er eine auf Tatsachen gestützte, besonders eingehende Begründung zu geben, in der er im Einzelnen darlegt, welche besonderen Umstände in objektiver und subjektiver Hinsicht es gerechtfertigt erscheinen lassen, vom Regelfahrverbot abzusehen.
Verfahrensgang
AG Schwerte (Entscheidung vom 28.03.2003) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Schwelm zurückverwiesen.
Gründe
Gegen den Betroffenen ist durch Bußgeldbescheid des Ennepe-Ruhr-Kreises vom 10. Juli 2002 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft eine Geldbuße in Höhe von 100,00 EURO sowie ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats festgesetzt worden. Nachdem der Betroffene dagegen Einspruch eingelegt hatte, hat das Amtsgericht Schwelm ihn wegen fahrlässigen Verstoßes nach §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, § 24 StVG zu einer Geldbuße in Höhe von 180,00 EURO verurteilt. Von der Verhängung eines Fahrverbotes hat es abgesehen.
Dem Urteil liegen folgende Feststellungen zu Grunde:
"Am 16. März 2002 befuhr er mit dem Pkw Audi, amtliches Kennzeichen XXX, die außerhalb geschlossener Ortschaft gelegene Straße "An der Kohlenbahn" in Wetter. Um 13.08 Uhr wurde bei einer Radarmessung mit dem Gerät Multanova 6 F eine Geschwindigkeit des Fahrzeugs des Betroffenen von 98 km/h festgestellt. Durch Verkehrszeichen 274 StVO ist in dem hier interessierenden Bereich die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h beschränkt."
Diese Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Betroffenen sowie dem in Augenschein genommenen Foto Blatt 7.
Zum Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht Folgendes ausgeführt:
"IV.
Der Betroffene räumt den festgestellten Sachverhalt ein. Er lässt sich weiter dahingehend ein, seine Ehefrau sei im siebten Monat schwanger. Er müsse seine Ehefrau täglich von der Arbeit abholen und auch zum Arzt bringen. Selbst fahren könne sie nicht.
Das Gericht hat unter Erhöhung des Regelsatzes des Bußgeldkataloges eine Geldbuße von 180,00 EUR festgesetzt und vom Fahrverbot Abstand genommen.
In der Persönlichkeit des Betroffenen sind Umstände gegeben, die ausnahmsweise das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbotes rechtfertigen. Durch die Verhängung des Fahrverbotes würde eine besondere Härte eintreten. Der Betroffene hat glaubhaft gemacht, dass seine im siebten Monat schwangere Ehefrau auf ihn angewiesen ist und kein anderer die Fahrten mit ihr durchführen kann."
Dieses Urteil ist der Staatsanwaltschaft Hagen, die an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen hatte, am 23. April 2003 zugestellt worden. Sie hat am 25. April 2003 Rechtsbeschwerde eingelegt und die Verletzung materiellen Rechts gerügt hat. In ihrer weiteren Rechtsbeschwerdebegründung hat sie ihr Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und sich mit näheren Ausführungen allein gegen die Nichtverhängung eines Fahrverbotes gewendet.
Die Generalstaatsanwaltschaft ist dem Rechtsmittel beigetreten und hat beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Schwelm zurückzuverweisen.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig. Sie ist gemäß § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 341 StPO fristgerecht eingelegt worden, da die Staatsanwaltschaft nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen hat (§ 75 Abs. 1 OWiG), sodass die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gemäß § 77 b Abs. 2 OWiG erst mit der Zustellung des Urteils begann.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet; jedoch ist die Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam, weil das Urteil keine hinreichenden Feststellungen zur Tat enthält.
Zwar kann nach allgemeiner Ansicht, die der aller Senate für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm entspricht, die Rechtsbeschwerde ebenso wie die Revision auf abtrennbare Teile beschränkt werden (vgl. Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 79 Rdnr. 32 mit weiteren Nachweisen). Insoweit gelten die im Strafverfahren für die Beschränkung der Berufung oder Revision auf das Strafmaß geltenden Grundsätze entsprechend (vgl. dazu Meyer-Gossner, StPO, 46. Aufl., § 318 Rdnr. 16 ff. mit weiteren Nachweisen). Die Beschränkung der Rechtsbeschwerde ist danach aber nur wirksam, wenn in der tatrichterlichen Entscheidung hinreichende Feststellungen für die vom Rechtsbeschwerdegericht zu treffende Entscheidung über die Rechtsfolgen getroffen werden (vgl. Göhler, a.a.O., mit weiteren Nachweisen).
Das ist vorliegend nicht der ...