Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung: Versäumung der Rechtsmittelfrist unter Berücksichtigung einer falschen Rechtsmittelbelehrung
Leitsatz (amtlich)
Versäumt die anwaltlich vertretene Partei die Rechtsmittelfrist nach unrichtiger Rechtsmittelbelehrung durch das AG, ist kein zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führender entschuldbarer Rechtsirrtum gegeben, wenn die Rechtsmittelbelehrung offensichtlich falsch ist.
Normenkette
ZPO § 233; FGG-RG Art. 111
Verfahrensgang
AG Dorsten (Beschluss vom 24.03.2010; Aktenzeichen 12 F 506/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Dorsten vom 24.3.2010 wird als unzulässig verworfen.
Der Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten wegen Versäumung der Beschwerdefrist wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte nach einem Gegenstandswert von bis 1.200 EUR.
Gründe
Die Parteien streiten nach Erledigung des zwischen ihnen geführten Rechtsstreits, der durch die mit einem Prozesskostenhilfegesuch verbundene Klage der Kläger vom 24.7.2009 eingeleitet worden war, über dessen Kosten. Das AG hat durch den angefochtenen Beschluss die Kosten dem Beklagten auferlegt. Gegenstand des Beschlusses ist eine Rechtsmittelbelehrung, nach welcher die Beschwerde binnen eines Monats beim AG einzulegen ist. Der Beklagte hat gegen den ihm am 26.4.2010 zugestellten Beschluss durch Schriftsatz vom 26.5.2010, Eingang beim AG am selben Tag, Beschwerde eingelegt. Nach Hinweis des Senats auf die Unzulässigkeit der Beschwerde hat er mit Schriftsatz vom 1.7.2010 hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig.
Für das Verfahren ist gem. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. BGH, Urteil v. 25.11.2009, FamRZ 2010, 192; Beschluss vom 1.3.2010, FamRZ 2010, 639). Die Einleitung erfolgte durch die mit einem Prozesskostenhilfeantrag verbundene Klage vom 24.7.2009, Eingang beim AG am 28.7.2009, auf den gem. Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG abzustellen ist.
Gemäß § 91a Abs. 2 S. 1 ZPO findet gegen die Entscheidung nach Abs. 1 die sofortige Beschwerde statt. Diese ist gem. § 569 Abs. 1 ZPO binnen zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung einzulegen. Die nach Zustellung am 26.4.2010 erst am 26.5.2010 bei Gericht eingegangene Beschwerde war danach verfristet.
Entgegen der vom Beklagten vertretenen Ansicht ist für die Rechtsmittelfrist nicht die unzutreffende Belehrung im angefochtenen Beschluss maßgeblich. Entscheidend sind vielmehr die gesetzlichen Regelungen (vgl. BGH NJW-RR 2004, 408).
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht begründet.
1. Gemäß § 233 ZPO kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann gewährt werden, wenn die Fristversäumung unverschuldet erfolgt ist. Hierbei muss sich die Partei gem. § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden ihres Bevollmächtigten zurechnen lassen. Da hier die Fristversäumung auf ein Verschulden des Bevollmächtigten zurückgeht, kommt eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht.
2. Wie oben unter II. ausgeführt, war die Beschwerde binnen zwei Wochen und nicht binnen eines Monats einzulegen, was aus den angeführten Vorschriften folgt. Die Kenntnis der zutreffenden Rechtsmittelfrist muss bei einem Rechtsanwalt vorausgesetzt werden.
3. Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf die falsche Rechtsmittelbelehrung durch das AG berufen. Eine unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung schafft einen Vertrauenstatbestand, der zur Wiedereinsetzung wegen schuldloser Fristversäumung berechtigt, nur dann, wenn die Belehrung einen unvermeidbaren oder zumindest entschuldbaren Rechtsirrtum auf Seiten der Partei hervorruft und die Fristversäumung darauf beruht (BGH NJW-RR 2004, 408, Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 233 ZPO Rz. 23 "Rechtsirrtum" a.E.). An diesen Voraussetzungen fehlt es bei einer anwaltlich vertretenen Partei, wenn die Rechtsmittelbelehrung offensichtlich falsch ist; denn von einem Rechtsanwalt muss die Kenntnis des Rechtsmittelsystems der Zivilprozessordnung erwartet werden (BGH VersR 1996, 1522, Zöller, a.a.O.).
Letzteres ist hier der Fall. Denn in der erteilten Rechtsmittelbelehrung geht das AG offensichtlich - versehentlich - von der Geltung des neuen Verfahrensrechts für den vorliegenden Fall aus. Ansonsten wäre keine Rechtsbehelfsbelehrung als Teil des Beschlusses erfolgt (vgl. § 39 FamFG). Das neue Recht war aber aus den genannten Gründen nicht anzuwenden. Dies war auch für den Bevollmächtigten des Beklagten ohne weiteres erkennbar. Denn er hatte sich schon unter dem 20.8.2009 im vorliegenden Verfahren für den Beklagten gemeldet, mithin vor dem 1.9.2009. Die entsprechende Rechtskenntnis muss von ihm erwartet werden. Soweit in der Literatur im Jahr 2009 vereinzelt die Ansicht vertreten worden war, bei Rechtsmitteleinlegung nach dem 31.8.2009 gelte neues Recht (so Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., Einl. FamFG Rz. 54), war diese Ansicht sp...