Leitsatz (amtlich)
Ein Handelsvertreter ist nicht bereits deswegen ein Einfirmenvertreter kraft Vertrages, wenn er nach den vertraglichen Vereinbarungen des Handelsvertretervertrages verpflichtet ist, die Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit unter Vorlage von Unterlagen zu offenbaren und eine angemessene Prüfungsfrist des Unternehmers abzuwarten.
Normenkette
GVG § 17a; ArbGG §§ 2, 5 Abs. 3; HGB § 92a
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Beschluss vom 15.04.2011; Aktenzeichen 17 O 202/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der VIII. Kammer für Handelssachen des LG Bielefeld (17 O 202/10) vom 15.4.2011 abgeändert.
Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten wird für zulässig erklärt.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis zu 20.000 EUR.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die Parteien streiten vorab über die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder der Arbeitsgerichtsbarkeit.
I. Mit ihrer beim LG Bielefeld erhobenen Stufenklage verlangt die Klägerin von dem Beklagten Auskunft über vermeintlich vertragswidrige Vermittlung von Vermögensanlagen für Konkurrenzunternehmen und - nach Auskunftserteilung zu beziffernden - Schadensersatz.
Die Klägerin ist eine rechtlich verselbständigte Vertriebsorganisation, die Finanzdienstleistungen und Versicherungen vermittelt. Für die Vermittlungstätigkeit setzt die Klägerin ihrerseits als "Vermögensberater" bezeichnete Handelsvertreter ein.
Nach einer seit Beginn der 90er Jahre für die Klägerin ausgeübten Außendienstmitarbeitertätigkeit war der Beklagte - zuletzt nach Maßgabe des am 27.05./3.7.2007 neu gefassten Vermögensberater-Vertrages (Anl. 2) - ebenfalls als Vermögensberater für die Klägerin tätig. Am 16.11.2010 schied er nach einer von der Klägerin ausgesprochenen Kündigung aus.
In dem Vertrag vom 27.05./3.7.2007, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, heißt es unter Ziff. I. u.a.:
"Die Ausübung einer anderweitigen Erwerbstätigkeit hat der Vermögensberater vor der Aufnahme einer solchen Tätigkeit schriftlich anzuzeigen. Mit dieser Anzeige sind der Gesellschaft sämtliche für die beabsichtigte Tätigkeit maßgebenden Umstände offenzulegen und vertragliche Vereinbarungen und sonstige Unterlagen, die sich bestimmend auf den Inhalt dieser beabsichtigten Tätigkeit auswirken, zugänglich zu machen. Die beabsichtigte Tätigkeit darf frühestens 21 Tage nach Eingang der Anzeige und aller notwendigen Unterlagen aufgenommen werden. Ein Verstoß hiergegen stellt einen schwerwiegenden Vertrauensbruch dar."
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe in den letzten Jahren unter Verletzung seiner Vertragspflichten für Konkurrenzunternehmen Finanzdienstleistungen vermittelt.
Der Beklagte bestreitet, vertragliche Pflichten verletzt zu haben. Zudem rügt er die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit mit der Begründung, er sei nach dem Vermögensberater-Vertrag aus dem Jahre 2007 für die Klägerin als sog. Einfirmenvertreter i.S.v. § 92a HGB tätig geworden und habe in den letzten 6 Monaten des Vertragsverhältnisses durchschnittlich keine höhere Vergütung als 1.000 EUR erhalten, so dass die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit gem. §§ 2 Abs. 1 Nr. 3a, 5 Abs. 3 ArbGG gegeben sei.
Die Klägerin ist dieser Auffassung entgegengetreten. Sie hat gemeint, dass die im Vertrag normierte Anzeigepflicht auch unter Berücksichtigung der 21 tägigen Prüfungsfrist den Vermögensberater nicht als Einfirmenvertreter erscheinen lasse, weil ihm damit kein Tätigkeitsverbot auferlegt werde.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG den Rechtsweg zu den ArbG für zulässig erklärt. Der Beklagte sei Einfirmenvertreter gewesen und habe in den letzten sechs Monaten des Vertragsverhältnisses nicht mehr als durchschnittlich 1.000 EUR pro Monat verdient. Dass er Einfirmenvertreter gewesen sei, folge aus dem abgeschlossenen Vertriebspartner-Vertrag. Dieser verbiete dem Vertriebspartner zwar nicht schlechthin, für andere Unternehmer tätig zu werden. Die in ihm geregelte Anzeigepflicht sei aber so ausgestaltet, dass der Beklagte der Klägerin die vertraglichen Vereinbarungen und maßgeblichen Unterlagen für eine anderweitige Tätigkeit vorzulegen habe und die beabsichtigte Tätigkeit frühestens 21 Tage nach Eingang der Anzeige und Vorlage der Unterlagen aufnehmen dürfe. Bis zum Ablauf dieser Frist unterliege er so einem Tätigkeitsverbot. Das rechtfertige es, ihn als Einfirmenvertreter anzusehen. Das Gericht folge insoweit der Entscheidung des OLG Braunschweig (2 W 72/10).
Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin. Sie vertieft ihre Auffassung, dass der Beklagte aufgrund der vertraglichen Regelung nicht als Einfirmenvertreter anzusehen sei, und verweist auf ihre Auffassung bestätigende Entscheidungen des OLG Bamberg (3 W 47/11) und OLG Frankfurt (24 W 1/11).
Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und führt für seine Auffassung neben der Entscheidung des OLG Braunschweig eine weitere, seine Auffassung bestätigende E...