Entscheidungsstichwort (Thema)
Wandelbarkeit des Güterrechtsstatuts eines Spätaussiedlers aus Russland
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 4 EGBGB nimmt die Rückverweisung an, die sich aus der kollisionsrechtlichen Bestimmung des am 1.3.1996 in Kraft getretenen Art. 161 Abs. 1 des russ. FGB (Wohnsitzanknüpfung des Güterrechtsstatus) ergibt.
2. Dies gilt auch insoweit, als die geänderte ausländische Kollisionsnorm zu einer nachträglichen Wandelbarkeit des Güterrechtsstatus nach Wegfall der nach deutschem Kollisionsrecht maßgebenden Anknüpfungstatsachen führt.
3. Der Senat hält an der gegenläufigen Versteinerungstheorie insoweit nicht mehr fest, als diese die Berücksichtigung nachträglicher Änderungen der ausländischen Kollisionsnormen ausschließt.
4. Auf die Erbfolge eines Spätaussiedlers, der nach seiner Eheschließung und Übersiedlung aus Russland die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat und nach dem Inkrafttreten des russ. FGB mit Wohnsitz in Deutschland verstorben ist, findet § 1371 BGB Anwendung.
Normenkette
EGBGB Art. 4; russ. FGB Art. 161 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Siegen (Beschluss vom 30.07.2008; Aktenzeichen 4 T 368/07) |
AG Siegen (Beschluss vom 30.07.2007; Aktenzeichen 32 VI 105/07) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des AG Siegen vom 30.7.2007 werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das AG Siegen zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 15.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1) ist die Witwe des Erblassers, der Beteiligte zu 2) deren gemeinsamer Sohn.
Die Beteiligte zu 1) und der Erblasser waren zur Zeit ihrer Eheschließung am 25.8.1979 Staatsbürger der damaligen Sowjetunion. Sie kamen im März 1994 als Spätaussiedler in die Bundesrepublik Deutschland und erwarben hier durch Einbürgerung am 8.1.1996 die deutsche Staatsangehörigkeit.
Die Beteiligte zu 1) hat beantragt, ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie und den Beteiligten zu 2) als Miterben zu ½ ausweist. Hierbei hat sie angegeben, mit dem Erblasser im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt zu haben. Nach mehreren Nachfragen hat das AG den Erbscheinantrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass sich die dem Antrag zugrunde liegenden Erbquoten nicht feststellen ließen, weil der maßgebende Güterstand nicht habe aufgeklärt werden könne.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das LG zurückgewiesen, wogegen sich die Beteiligte mit der weiteren Beschwerde wendet.
II. Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt.
Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) ergibt sich daraus, dass ihre Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.
In der Sache ist die weitere Beschwerde begründet, da die Entscheidung des LG auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs. 1 FGG.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das LG zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde ausgegangen. In der Sache hält die landgerichtliche Entscheidung der rechtlichen Prüfung jedoch nicht stand.
Das LG ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Erbfolge gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB nach deutschem Recht richtet, da der Erblasser zum Zeitpunkt seines Ablebens deutscher Staatsangehöriger war. Richtig ist weiter, dass sich mit Rücksicht auf § 1931 Abs. 1 S. 1 BGB eine Erbquote von je ½ nur ergibt, wenn das gesetzliche Ehegattenerbrecht durch einen erbrechtlich relevanten, pauschalen ehegüterrechtlichen Ausgleich i.H.v. einem Viertel ergänzt wird.
Der Senat folgt dem LG auch noch insoweit, als dieses angenommen hat, dass sich diese Frage auch hinsichtlich ihrer erbrechtlichen Konsequenzen kollisionsrechtlich nach dem Ehegüterstatut (Art. 15 Abs. 1, 14 i.V.m. 220 EGBGB) beurteilt. Denn auch dann, wenn man entgegen der wohl h. A. § 1371 BGB als erbrechtliche Norm ansieht (zum Meinungsstand vgl. Staudinger/Mankowski, Neubearb. 2004, Art. 15 EGBGB Rz. 342 ff.), so setzt die Vorschrift doch voraus, dass die Eheleute im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten (BGHZ 40, 32 = NJW 1963, 1975; OLG Hamm NJW 1977, 1591; Mankowski, a.a.O., Rz. 344).
Das maßgebende Ehegüterrechtsstatut lässt sich hier nicht aus einer unmittelbaren Anwendung des § 1 VertriebenengüterstandsG ableiten. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen fallen die Beteiligte zu 1) und der Erblasser als Spätaussiedler unter § 4 BVFG. Das VertriebenengüterstandsG wurde nicht auf die Änderung des BVFG, die dieses durch die Einführung des Begriffs der Spätaussiedler erfahren hat, abgestimmt. Sein § 1 Abs. 1 S. 1 verweist nämlich weiterhin auf "Vertriebene oder Sowjetzonenflüchtlinge (§§ 1, 3 und 4 des Bundesvertriebenengesetzes)". Sowohl nach dem Wortlaut als auch systematisch erstreckt sich diese Verweisung nicht auf den Personenkreis der Spätausiedler (Mankowski, a.a.O., Rz. 438 m.w.N. pro und contra).
Die Frage einer analogen Anwendbarkeit des VertriebenengüterstandsG kann für die Entscheidung des Senats offen bleiben. Denn die rechtliche Überprüfung der E...