Leitsatz (amtlich)

1. Jeder Wohnungseigentümer hat grundsätzlich Anspruch darauf, dass der Gebrauch des Sonder- und des Gemeinschaftseigentums nur im Rahmen derjenigen bauordnungsrechtlichen Vorschriften erfolgt, die nachbarschützenden Charakter haben.

2. Die umfassende Zulässigkeit einer Nutzung eines Teileigentums zu gewerblichen Zwecken gibt dem Sondereigentümer kein Recht, vorhandene bauliche Anlagen über den vorgegebenen bauordnungsrechtlichen Rahmen hinaus nutzen zu können, um eine bestimmte Form gewerblicher Nutzung des Sondereigentums realisieren zu können.

 

Normenkette

WEG § 15 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Essen (Beschluss vom 29.01.2008; Aktenzeichen 9 T 147/07)

AG Essen (Beschluss vom 09.08.2007; Aktenzeichen 195 II 157/07 WEG)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des AG vom 9.8.2007 werden aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Gerichtskosten und die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der sofortigen ersten und weiteren Beschwerde an das AG zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 2.000 EUR festgesetzt:

 

Gründe

I. Durch notarielle Erklärung vom 16.1.1997 teilte die Beteiligte zu 2) das in ihrem Eigentum stehende und mit einem Haus bebaute H-Straße in F in Wohnungs- und Teileigentum auf (UR-Nr. 5/1997 des Notars T in C). In der Anlage zur Teilungserklärung wird das Teileigentum der Beteiligten zu 2) wie folgt beschrieben:

"3. Miteigentumsanteil von 40/1.000 an dem vorgenannten Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an den gewerblichen Räumen im Erdgeschoss rechts sowie 2 Kellerräumen im Kellergeschoss - im vorläufigen Aufteilungsplan mit Nr. 3 bezeichnet -. In dem Aufteilungsplan ist die Einheit mit der Nr. 3 als LADEN gekennzeichnet, handschriftlich ist in dem Plan weiterhin "Imbiss" eingetragen."

In der Einheit Nr. 3 befand sich schon im Zeitpunkt vor der Umwandlung des Hauses in eine Wohnungseigentumsanlage ein Imbiss. Die Beteiligten zu 2) sind Eigentümer dieser Einheit, die sie vermieteten und in der in der Folgezeit verschiedene der Gastronomie zuzurechnende Betriebe betrieben wurden. Der derzeitige Mieter, Herr G, betreibt dort ein Restaurant namens "H". In der Einheit Nr. 3 ist eine Abluftanlage installiert worden, die an einen bis dahin unbenutzten Schornstein angeschlossen ist, der auf dem Dach der Wohnungseigentumsanlage endet. Der Schornstein/Kamin steht im Gemeinschaftseigentum. Die Beteiligte zu 1) bewohnte ihre Dachgeschosswohnung ebenfalls schon vor dem Zeitpunkt der Umwandlung und erwarb das Wohnungseigentum im Jahre 1998.

Die Beteiligte zu 1) hat erstinstanzlich vorgetragen, dass die durch den Schornstein abgeführten Küchendünste sich auf dem Dach verbreiten und in ihre Wohnung eindringen würden. Der Schornstein sei nicht für den Betrieb eines Speiselokals gebaut worden und auch mit der Abluftanlage nicht kompatibel. Der Kamin sei für den Betrieb von Kohleöfen errichtet worden. Die Beeinträchtigung gehe über das hinzunehmende Maß hinaus.

Die Beteiligte zu 1) hat beantragt, die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, die Störung ihres Wohnungseigentums, gelegen im fünften Geschoss des I-Straße in F durch Abdunst des im Erdgeschoss rechts betriebenen Speiselokals zu beseitigen.

Die Beteiligte zu 2) hat die Zurückweisung dieses Antrags beantragt und erstinstanzlich vorgetragen, dass der Betrieb eines Speiselokals nach der Teilungserklärung zulässig sei. Der Kamin sei für den Betrieb eines Speiselokals sach- und fachgerecht geeignet und baurechtlich genehmigt. Die Beteiligte zu 1) habe die Ausdünstungen des Speiselokals hinzunehmen. Es werde auch bestritten, dass überhaupt Ausdünstungen des Speiselokals in die Wohnung der Beteiligten zu 1) gelangen würden.

Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Im Rahmen der von ihr gegen diesen Beschluss eingelegten sofortigen Beschwerde hat die Beteiligte zu 1) weiter vorgetragen, dass die Mieter der Beteiligten zu 2) den Kamin nicht bestimmungsgemäß nutzen würden. Der Kamin sei für eine Ofenheizung vorgesehen und nicht für den Anschluss einer Dunstabzugshaube. Die in ihre Wohnung eindringenden Gerüche seien nicht hinnehmbar. Die Beteiligte zu 1) hat ihre Behauptungen unter Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gestellt.

Das LG hat die Beschwerde zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Betrieb der Pizzeria sich im Rahmen der nach der Teilungserklärung zulässigen Nutzung der Einheit Nr. 3 halte und die Beteiligten zu 2) die Ungeeignetheit des Kamins für die Abführung der entstehenden Ausdünstungen nicht zu vertreten hätten.

Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1).

II. Die sofortige weitere Beschwerde ist nach §§ 62 Abs. 1 WEG n.F., 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 WEG a.F., 27, 29 FGG statthaft sowie frist - und formgerecht eingelegt.

Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) folgt daraus, dass ihre Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

Das Rechtsmittel ist in der Sache begrü...

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