Entscheidungsstichwort (Thema)
faires Verfahren. Verletzung des rechtlichen Gehörs. Terminierung ohne Rücksicht auf den Verteidiger. Recht auf Verteidiger. unvorhersehbare Terminskollision bei Fortführung in den Mittagsstunden. PPS. ProViDa. Abstandsmessung. kein standardisiertes Meßverfahren für Abstandsmessungen. Errechnung des Abstandes unter Auswertung des Videobandes. Anforderungen an die Urteilsgründe. Darlegung. Fahrverbot. Absehen können. Bewußtsein. unzumutbare Härte. keine ausreichenden Feststellungen
Leitsatz (amtlich)
1. Aus dem Gebot des fairen Verfahrens folgt das Recht des Betroffenen auf Verteidigung (Artikel 6 Abs. 2 c MRK). Dieses Recht ist sowohl bei der Terminsbestimmung als auch bei Entscheidungen über Anträge auf Terminsverlegung oder Aussetzung der Hauptverhandlung zu beachten.
2. Zur Berücksichtigung der Belange des Betroffenen bei Terminierung eines Fortsetzungstermins.
Normenkette
StPO § 344 Abs. 2 S. 2, §§ 261, 267, 228; StVG § 25 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Lippstadt (Entscheidung vom 08.08.2008) |
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Lippstadt vom 8. August 2008 sowie das Urteil des Amtsgerichts Lippstadt vom 17. April 2008 werden mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Lippstadt zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Lippstadt hat gegen den Betroffenen durch Urteil vom 17. April 2008 wegen vorsätzlicher Unterschreitung des erforderlichen Mindestabstandes eine Geldbuße von 150,- Euro sowie ein Fahrverbot von zwei Monaten festgesetzt. Dieses in Abwesenheit des Betroffenen und seines schriftlich bevollmächtigten Verteidigers verkündete Urteil wurde auf Anordnung des Vorsitzenden dem Betroffenen am 4. Juni 2008 förmlich zugestellt.
Mit Schreiben vom 9. Juni 2008, beim Amtsgericht Lippstadt am 10. Juni 2008 eingegangen, hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt und zugleich die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt. Die Rüge formellen Rechts ist mit Telefaxschreiben des Verteidigers des Betroffenen vom 7. Juli 2008, am selben Tag beim Amtsgericht eingegangen, begründet worden.
Mit Beschluss vom 8. August 2008 hat das Amtsgericht Lippstadt die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gemäß §§ 79 Abs. 3 OWiG, 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen.
Gegen diesen dem Betroffenen am 16. August 2008 zugestellten Beschluss hat dieser mit Telefaxschreiben vom 19. August 2008, am selben Tage beim Amtsgericht eingegangen, "Beschwerde eingelegt" und diesen als Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts auszulegenden Rechtsbehelf mit Schriftsatz vom 8. September 2008 begründet.
Gegen das dem Verteidiger des Betroffenen am 17. November 2008 zugestellte Urteil vom 17. April 2008 hat der Betroffene mit Telefaxschreiben vom 18. November 2008 erneut Rechtsbeschwerde eingelegt und zur Begründung auf die Schriftsätze vom 7. Juli und 9. Juli 2008 Bezug genommen.
II.
Die Rechtsmittel des Betroffenen führen zu einem - zumindest vorläufigen - Erfolg.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift an den Senat vom 26. Januar 2009 Folgendes ausgeführt:
"Der gemäß § 346 Abs. 2 StPO statthafte und rechtzeitig gestellte Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zulässig und in der Sache begründet.
Der Betroffene hat gegen das ihm am 04.06.2008 zugestellte Urteil mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 09.06.2008 innerhalb der Wochenfrist Rechtsbeschwerde eingelegt und das Rechtsmittel zugleich mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet. Eine den Formerfordernissen des § 345 Abs. 1 StPO entsprechende Begründung der Rechtsbeschwerde ist - soweit die Verletzung materiellen Rechts gerügt worden ist - mithin innerhalb der einmonatigen Begründungsfrist eingegangen.
Die Begründung der Rechtsbeschwerde ist - auch hinsichtlich der Rüge der Verletzung formellen Rechts - rechtzeitig.
Gemäß §§ 79 Abs. 3, 345 Abs. 1 StPO muss die Rechtsbeschwerde spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, begründet werden. Die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt gemäß § 79 Abs. 4 OWiG mit der Zustellung des Urteils, wenn es - wie hier - in Abwesenheit des Beschwerdeführers verkündet und dieser dabei auch nicht nach § 73 Abs. 3 OWiG durch einen schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten worden ist. Das Ende der einwöchigen Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde war der 11.06.2008, so dass die einmonatige Begründungsfrist erst am 11.07.2008 ablief. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist am 07.07.2008 beim Amtsgericht Lippstadt, mithin innerhalb der Monatsfrist, eingegangen.
Der Beschluss des Amtsgerichts Lippstadt vom 08.08.2008 ist daher aufzuheben.
Mit seiner rechtzeitig eingelegten und form- und fristgerecht begründeten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene mit näheren Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen R...