Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattung im Strafverfahren. Erstattungsfähigkeit höherer Rechtsanwaltskosten nach Anwaltswechsel

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte eines Beteiligten sind nur insoweit als notwendige Auslagen gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 91 Abs. 2 ZPO anzusehen, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder in der Person eines Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Letzteres ist nur bei zwingenden in der Person des Rechtsanwalts liegenden und vom Beteiligten nicht zu vertretenden Gründen erfüllt; allein der Wechsel des Haftorts des Beteiligten stellt keinen solchen zwingenden Grund dar, soweit nicht ersichtlich ist, dass der erste Rechtsanwalt das Mandat z.B. aufgrund der räumlichen Entfernung seines Kanzleisitzes vom neuen Haftort nicht weiter fortgeführt hätte.

2. Die zusätzlichen Kosten des Anwaltswechsels sind in dieser Konstellation auch unter dem Gesichtspunkt der Erstattungsfähigkeit fiktiver Reisekosten nur dann erstattungsfähig, wenn tatsächlich eine - ggfls. weitere - Besprechung mit dem Mandanten nach dem Wechsel der Vollzugsanstalt erforderlich gewesen wäre.

 

Normenkette

StPO § 464a Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 91 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 64 StVK 896/15)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte.

 

Gründe

I.

Der Verurteilte macht seine notwendigen Auslagen (Kosten des Wahlverteidigers) gegenüber der Landeskasse geltend, nachdem durch Senatsbeschluss vom 23.02.2016 (III-1 Ws 602/15) der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund vom 02.11.2015 aufgehoben worden war, durch welchen die Strafvollstreckungskammer die zuvor am 05.10.2015 erfolgte Anordnung der bedingten Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft aufgehoben und angeordnet hatte, dass die Vollstreckung des Strafrestes nicht zur Bewährung ausgesetzt wird. Die notwendigen Auslagen des Verurteilten sind mit diesem Senatsbeschluss der Landeskasse auferlegt worden.

Mit Schriftsatz vom 07.03.2016 stellte zunächst Rechtsanwalt P einen Festsetzungsantrag im Umfang seiner ihm entstandenen Vergütung in dieser Sache in Höhe von 557,81 € nebst Zinsen wie folgt:

1.

Verfahrensgebühr gem. Nr. 4200 Ziffer 2,42001 VV RVG

448,75 €

(Mittelgebühr)

2.

Post- und Telekommunikation gem. Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

Zwischensumme

468,75 €

3.

Mehrwertsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG

89,06 €

Summe

557,81 €

Einen weiteren Antrag stellte der Verurteilte selbst mit Schreiben vom 14.03.2016, in dem er die Festsetzung eines Betrages in Höhe von insgesamt 1.782,78 € geltend machte, der sich aus der Vergütung des Rechtsanwalts P (wie vor) und zudem der Kostennote des Rechtsanwalts C in Höhe von 1.224,97 € zusammensetzte. Dieser letzte Betrag setzte sich wie folgt zusammen:

Geb.-Nr.

Satz

Bezeichnung

Gebühr

I. Prüfung Disziplinarverfahren im Vollzug

4301

Verfahrensgebühr

350,00

7002

Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen

20,00

Zwischensumme

370,00

7008

19 % Umsatzsteuer auf 370,00 EUR

70,30

Zwischensumme

440,30

Zahlung an GK

43,00

Zwischensumme

483,30

II. Widerruf Strafaussetzung zur Bewährung

4201

Verfahrensgebühr mit Zuschlag

500,00

7002

Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen

20,00

7000.1a

293

Ablichtungen und Ausdrucke aus Behörden- und Gerichtsakten

61,45

7003

16

Fahrtkosten bei Benutzung eines eigenen Kfz

4,80

7005

Tage- und Abwesenheitsgeld bei einer Geschäftsreise

25,00

Zwischensumme

1094,55

7008

19 % Umsatzsteuer auf 611,25 EUR

116,14

Zwischensumme

1210,69

Aktenversendungspauschale

12,00

7008

Umsatzsteuer auf Aktenpauschale

2,28

Summe

1.224,97

Aufgrund der Stellungnahme der Bezirksrevisorin beim Landgericht Dortmund vom 31.03.2016, die dem Verurteilten sowie den Rechtsanwälten P und C zur Stellungnahme zugeleitet worden war, wurde durch Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Dortmund vom 20.06.2016 die dem Verurteilten aus der Landeskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 557,81 € festgesetzt und darüber hinausgehende Anträge zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass Rechtsanwalt C durch den Verurteilen für das Kostenfestsetzungsverfahren bevollmächtigt sei und dieser auf gerichtliche Anfrage mitgeteilt habe, dass eine ergänzende Kostenfestsetzung nicht beantragt werde. Daher könne nur der Betrag in Höhe von 557,81 € festgesetzt werden, da insoweit die Bezirksrevisorin einer Festsetzung nicht widersprochen habe. Zudem seien nur die Kosten eines Verteidigers im Beschwerdeverfahren erstattungsfähig. Die weiteren Auslagen in Höhe 483,30 € bezögen sich nicht auf das Beschwerdeverfahren, ferner sei das Entstehen und die Erstattungsfähigkeit der Dokumentenpauschale sowie der Reisekosten nicht nachgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde vom 23.06.2016. Er trägt vor, dass die Einschaltung zweier Rechtsanwälte für ihn notwendig gewesen sei aufgrund des Umstandes, dass er in zwei unterschied...

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