Verfahrensgang
AG Brilon (Entscheidung vom 17.02.2020) |
AG Brilon (Entscheidung vom 24.01.2020) |
LG Arnsberg (Aktenzeichen 3 Ns 39/20) |
Tenor
- Auf die Beschwerde wird der angegriffene Beschluss aufgehoben.
- Dem Angeklagten wird Rechtsanwalt C aus E als Pflichtverteidiger für das Berufungsverfahren beigeordnet.
- Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Der Angeklagte ist mit Urteil des Amtsgerichts - Strafrichters - Brilon vom 17. Februar 2020 wegen Bedrohung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60,00 Euro verurteilt worden. Ferner wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein wurde eingezogen und die Verwaltungsbehörde wurde angewiesen, dem Beschwerdeführer vor Ablauf von 1 Jahr keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Hiergegen hat er mit Schreiben seines Verteidigers vom 18. Februar 2020, eingegangen bei dem Amtsgericht Brilon am selben Tag, Rechtsmittel eingelegt. Im selben Schriftsatz hat der Angeklagte beantragt, ihm Rechtsanwalt C aus E als Pflichtverteidiger beizuordnen. Zur Begründung ist ausgeführt worden, er wohne in einem ländlichen Gebiet und sei als Arbeitnehmer auf seine Fahrerlaubnis angewiesen. Unter dem 24. Februar 2020 hat die Staatsanwaltschaft Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Brilon vom 24. Januar 2020 eingelegt. Diese hat sie unter dem 13. März 2020 begründet und mit Erklärung vom selben Tag, eingegangen bei dem Landgericht Arnsberg am 20. März 2020, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
Mit Schreiben vom 20. Mai 2020, eingegangen bei dem Landgericht Arnsberg am 22. Mai 2020, führte der Angeklagte zur ergänzenden Begründung seines Beiordnungsantrags aus, die Beiordnung eines Pflichtverteidigers sei auch aufgrund des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft geboten. Zudem sei im Verfahren eine klassische "Aussage-gegen-Aussage-Konstellation" gegeben.
Mit Beschluss vom 29. Mai 2020 hat das Landgericht Arnsberg die Beiordnung des Verteidigers C als Pflichtverteidiger abgelehnt. Ein Fall notwendiger Verteidigung im Sinne des § 140 Abs. 1 StPO sei nicht gegeben. Auch sei eine Beiordnung nicht aufgrund der Schwere der Tat oder der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage nach § 140 Abs. 2 StPO geboten. Es handele sich nicht um eine "Aussage-gegen-Aussage" Konstellation, da der Angeklagte teilgeständig sei und sein Beifahrer als Zeuge zur Verfügung stehe. Die Verteidigungsfähigkeit des Angeklagten sei auch nicht eingeschränkt.
Gegen diesen dem Verteidiger am 08. Juni 2020 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde vom 8. Juni 2020, mit welcher vorgetragen wird, die Beiordnung sei wegen der Schwere der Tat geboten, da dem Angeklagten im Falle der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Verlust seines Arbeitsplatzes drohe. Mit Schriftsatz vom 10. Juni 2020, eingegangen bei dem Landgericht Arnsberg vom 12. Juni 2020 trug der Angeklagte ergänzend vor, er sei als Schlosser in der Instandhaltung der D GmbH tätig. Er sei mit der Wartung und Instandhaltung von Anlagen befasst. In diesem Rahmen habe er 24-stündige Rufbereitschaften wahrzunehmen. Während dieser Bereitschaftszeiten habe er ausgefallene Anlagen aufzusuchen. Im Falle der Entziehung seiner Fahrerlaubnis befürchte er, sein Arbeitsvertrag werde nicht verlängert.
Am 10. Juni 2020 hat der Vorsitzende der 3. kleinen Strafkammer der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Stellungnahmeschrift vom 02. Juli 2020 beantragt, die Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Arnsberg vom 29. Mai 2020 als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Beschwerde gegen die Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung hat in der Sache Erfolg; dem Angeklagten war Rechtsanwalt C als Pflichtverteidiger beizuordnen.
Nach § 140 Abs. 2 StPO bestellt der Vorsitzende einen Verteidiger dann, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage oder der Schwere der Tat die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint, weil der Angeklagte zur eigenen Verteidigung nicht hinreichend in der Lage ist. Vorliegend ist eine schwierige Sachlage gegeben. Entgegen der angefochtenen Entscheidung ist vorliegend eine der klassischen "Aussage-gegen-Aussage-Konstellation" gleichstehende Beweissituation anzunehmen. Zwar erfordert nicht jede Aussage-gegen-Aussage-Konstellation eine Beiordnung. Diese kommt namentlich dann nicht in Betracht, wenn zu der Aussage des einzigen Belastungszeugen weitere belastende Indizien hinzukommen, so dass von einer schwierigen Beweiswürdigung nicht mehr gesprochen werden kann (OLG Celle, Beschluss vom 16. Oktober 2008, Az. 1 Ws 517/08 = NStZ 2009, 175, beck-online). Anders zu beurteilen sind jedoch die Fälle, in denen aus weiteren Indizien nicht hinreichend sicher auf die Richtigkeit der Angaben des einzigen Belastungszeugen geschlossen werden kann. Sind die Angaben des den Angeklagten belastenden einzigen Zeugen einer besonderen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen, ist die Beiordnun...