Leitsatz (amtlich)
1. Auch nach Abschluss der Instanz ist eine (rückwirkende) Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht schlechterdings ausgeschlossen.
2. Dies insbesondere dann, wenn schon vor der Beendigung ein formgerechter Antrag einschließlich einer vollständigen Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eingegangen war.
3. Dies gilt auch dann, wenn noch kein Antrag gestellt worden ist, anderenfalls der hilfsbedürftigen Partei von Vornherein jede Aussicht auf eine sachliche Prüfung ihres Verfahrenskostenhilfegesuchs abgeschnitten würde.
4. Der Beklagte handelt grundsätzlich nicht bereits dann mutwillig, weil er zum Verfahrenskostenhilfeantrag des Gegners keine Stellung nimmt, und zwar auch dann nicht, wenn er durch die Stellungnahme ein Hauptsacheverfahren verhindern könnte.
Normenkette
FamFG § 113 Abs. 1 S. 2; ZPO § 114 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Dortmund (Aktenzeichen 118 F 1502/24) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 30.05.2024 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dortmund vom 21.05.2024 abgeändert.
Dem Antragsgegner wird für die erste Instanz ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt.
Ihm wird "(...)" A aus B zur Wahrnehmung seiner Rechte in jener Instanz beigeordnet.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Antragsgegner wendet sich mit seinem Rechtsmittel gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe durch das Amtsgericht.
Mit Schriftsatz vom 16.04.2024 beantragte die durch die Kindesmutter vertretene, am 00.00.20XX geborene Antragstellerin, den Antragsgegner zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des gesetzlichen Mindestunterhaltes zu verpflichten. Zugleich stellte sie einen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.
Das Amtsgericht leitete die Antragsschrift durch Verfügung vom 22.04.2024 dem Antragsgegner persönlich zu und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Verfahrenskostenhilfegesuch.
Mit Schriftsatz vom 23.04.2024 meldete sich daraufhin die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners und zeigte dessen Vertretung an. Sie teilte mit, dass eine inhaltliche Stellungnahme zu dem Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragstellerin nicht erfolgen werde.
Daraufhin bewilligt das Amtsgericht der Antragstellerin durch Beschluss vom 23.04.2024 Verfahrenskostenhilfe und ordnete durch Verfügung vom selben Tage das schriftliche Vorverfahren an.
Mit Schriftsatz vom 24.04.2024 zeigte der Antragsgegner seine Verteidigungsbereitschaft an und erwiderte zugleich inhaltlich auf den Antrag. In diesem Schriftsatz teilte er mit, dass er sich am 15.04.2024 in einer vollstreckbaren Jugendamtsurkunde zur Zahlung des Mindestunterhaltes für die Antragstellerin verpflichtet habe. Die Urkunde selbst datiert vom 17.04.2024. Zudem rügte er die Aktivlegitimation der Antragstellerin, weil diese nach Kenntnis des Antragsgegners Leistungen nach dem SGB II beziehe.
Im Schriftsatz vom 24.04.2024 beantragte der Antragsgegner zugleich die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Verteidigung gegen den Antrag.
Die Antragstellerin nahm nach dieser Erwiderung ihren Antrag durch Schriftsatz vom 15.05.2024 zurück.
Durch Beschluss vom 22.05.2024 hat das Amtsgericht sodann den Verfahrenskostenhilfeantrag des Antragsgegners zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die beabsichtigte Rechtsverteidigung erscheine mutwillig. Der Antragsgegner habe es in der Hand gehabt, schon im Verfahren der Prüfung der Verfahrenskostenhilfe für die Antragstellerin die Jugendamtsurkunde vorzulegen. So hätte er den Anspruch ohne Kostenaufwand einfach zu Fall bringen können. Ein Beteiligter, welcher seine Kosten selbst tragen muss, hätte diesen Weg gewählt.
Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner sofortigen Beschwerde. Er wendet sich gegen die Annahme einer Mutwilligkeit seitens des Amtsgerichts. Wegen der Einzelheiten wird verwiesen auf die Beschwerdeschrift vom 30.05.2024.
II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 127 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden.
In der Sache hat das Rechtsmittel ebenfalls Erfolg und führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Bewilligung ratenfreier Verfahrenskostenhilfe zugunsten des Antragsgegners für die erste Instanz.
1. Die Rechtsverteidigung hat hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO).
a) Da schon im Zeitpunkt der Antragstellung ein vollstreckbarer Titel vorhanden war, fehlte es von Beginn an am Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag. Zudem hatte der Antragsgegner erhebliche Einwendungen gegen die Aktivlegitimation der Antragstellerin erhoben.
b) Der Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung steht hier auch nicht entgegen, dass das erstinstanzliche Verfahren durch die Rücknahme des Antrags bereits beendet ist und es daher im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts nichts mehr gibt, wogegen sich der Antragsgegner verteidig...