Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbringung. Erledigung. Unverhältnismäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Eine wegen räuberischen Diebstahls, sexuellen Mißbrauchs eines Kindes sowie versuchten sexuellen Mißbrauchs eines Kindes - neben einer verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren - angeordneten Unterbringung gem. § 63 StGB ist trotz fortbestehender Rückfallgefahr wegen fehlender Verhältsnismäßigkeit für erledigt zu erklären, wenn die Unterbringung bereits mehr als 24 Jahre andauert und die verbleibende Rückfallgefahr durch Auflagen und Weisungen im Rahmen der Führungs- und Bewährungsaufsicht gemindert werden kann, so dass mit der Entlassung ein vertretbares Risiko eingegangen wird.

 

Normenkette

StGB § 67d Abs. 6, 63

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Entscheidung vom 18.02.1988; Aktenzeichen IV StVK 92/12)

 

Tenor

  • 1.

    Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

  • 2.

    Die Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus aus dem Urteil des Landgerichts Bochum vom 18. Februar 1988 wird zum XX.XXXX XXXX für erledigt erklärt.

  • 3.

    Mit der Entlassung aus der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein, deren Dauer fünf Jahre beträgt.

  • 4.

    Die Vollstreckung des nicht verbüßten Restes der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren aus dem Urteil des Landgerichts Bochum vom 18. Februar 1988 wird zur Bewährung ausgesetzt; die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre.

  • 5.

    Der Verurteilte wird für die Dauer der Führungsaufsicht bzw. der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung eines von der Strafvollstreckungskammer namentlich zu bestellenden Bewährungshelfers unterstellt.

  • 6.

    Die nähere Ausgestaltung der Führungsaufsicht und der Bewährungszeit wird der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum übertragen.

  • 7.

    Mit der Belehrung des Verurteilten über die Bedeutung der Führungsaufsicht und der Reststrafenaussetzung wird der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum beauftragt.

  • 8.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Landeskasse auferlegt.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer ist durch Urteil der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 18. Februar 1988, rechtskräftig seit demselben Tag, wegen räuberischen Diebstahls, sexuellen Missbrauchs eines Kindes sowie wegen versuchten sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden; ferner wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet.

Nach den Feststellungen der Strafkammer wurde der aus einer seit Jahren in Bochum ansässigen Sinti-Familie stammende damalige Angeklagte etwa im Jahre 1969 aus der 4. Klasse der Sonderschule entlassen, nahezu ohne Lesen und Schreiben gelernt zu haben. Eine feste Arbeitsstelle hatte er nie. Im Jahre 1971 erlitt er bei einem Verkehrsunfall ein Schädeltrauma mit einer Hirnquetschung; er war

10 Tage ohne Bewusstsein, erholte sich dann jedoch wieder.

Der Strafregisterauszug wies zum Zeitpunkt der damaligen Verurteilung u.a. folgende Eintragungen auf:

Durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 3. März 1975 wurde gegen den Beschwerdeführer wegen räuberischer Erpressung, Raubes, Diebstahls, sexuellen Missbrauchs eines Kindes und anderen Taten eine Jugendstrafe von drei Jahren verhängt. Dem Missbrauch liegt zugrunde, dass der damalige Angeklagte im Oktober 1973 einem 10-jährigen Mädchen die Hose heruntergezogen hatte. Nachdem sich das Mädchen der Aufforderung des Angeklagten folgend auf den Rücken gelegt hatte, legte dieser sich auf sie und versuchte, mit seinem Glied in die Scheide des Mädchens einzudringen. Als ihm das nicht gelang, gab er sein Vorhaben auf.

Der damalige Sachverständige war zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Einschränkung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nicht vorgelegen habe.

Die Strafvollstreckung war am 4. April 1977 erledigt.

Am 24. Oktober 1978 verurteilte ihn das Landgericht Bochum wegen Zuhälterei in Tateinheit mit Förderung der Prostitution und Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger unter Einbeziehung anderer Strafen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung am 13. April 1980 erledigt war.

Der damalige Angeklagte hatte im Dezember 1977/Januar 1978 seine 1963 geborene Freundin mehrfach in Türkenwohnheime gebracht, wo das Mädchen für Geld den Geschlechtsverkehr ausführte. Dieses Geld ließ sich der Angeklagte sodann aushändigen.

Am 27. November 1980 belegte ihn das Schöffengericht Bochum wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern mit einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der damalige Angeklagte hatte am 14. Mai 1980 in der Nähe eines Spielplatzes zwei 9 und 10 Jahre alten Kindern mit entblößtem Geschlechtsteil gezeigt, um sich geschlechtlich zu erregen.

Am 4. Juni 1981 wurde der Beschwerdeführer vom Landgericht Bochum wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Im Februar 198...

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