Leitsatz (amtlich)

Ein unbefestigter Seitenstreifen neben einem 2,5 m breiten asphaltierten Radweg muss keine zum Befahren geeignete und bestimmte Bankette sein. Hat ein solcher Seitenstreifen einen Höhenunterschied von mehreren Zentimetern zur Fahrbahn, muss der Verkehrssicherungspflichtige das Niveau nicht angleichen und auch nicht vor dem Höhenunterschied warnen.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 253, 839; GG Art. 34; StrWG NRW §§ 2, 9, 9a, 47

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 2 O 389/19)

 

Tenor

Der Senat weist nach Beratung darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 S.1 ZPO zurückzuweisen. Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen 3 Wochen ab Zugang dieses Beschlusses zu dem Hinweis Stellung zu nehmen oder die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die beklagte Stadt auf Schadensersatz nach einem Unfallereignis vom 27.04.2018 wegen einer Verkehrssicherungspflichtverletzung in Anspruch. Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes, der vor dem Landgericht gestellten Anträge und der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil verwiesen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der neben dem Radweg gelegene Seitenstreifen erwecke bei verständiger Beurteilung des Benutzers nicht den Eindruck, es handle sich um einen Bereich, der ohne Sturzgefahr befahren werden könne, da sich zwischen Fahrbahn und Seitenstreifen erkennbar ein mehr oder minder hoher Absatz befinde. Die Annahme einer Pflicht des Verkehrssicherungspflichtigen, Radwege mit einer Auslaufzone zu versehen, würde die Grenze des Zumutbaren sprengen. Daher läge eine Verkehrssicherungspflichtverletzung erst dann vor, wenn das unbefestigte Bankett Gefahren berge, mit denen ein Radfahrer nicht zu rechnen brauche. Eine solche Sachlage sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, denn eine Abbruchkante von 10 cm berge keine höhere Gefahr als diejenige, die mit dem - beherrschbaren - Überfahren einer Bordsteinkante verbunden sei. Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie macht unter Bezugnahme auf das Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 22.10.1986, Az.: 9 U 28/86, geltend, entgegen dem landgerichtlichen Urteil umfasse das Verkehrsbedürfnis des Radwegebenutzers auch das vorsichtige Befahren der Bankette, da es immer wieder Situationen gebe, in denen es ein Radfahrer nicht vermeiden könne, die asphaltierte Fahrbahn zu verlassen. Das Landgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass der Seitenstreifen des Radwegs erkennbar nicht als Sicherheitszone ausgebildet sei. Die Bankette sei durchaus befestigt, liege aber gefährlich tief. Durch die vorhandene Vegetation sei der Höhenunterschied nur schwer erkennbar. Die vorliegende Verkehrssituation sei nicht mit einem Radweg vergleichbar, der durch einen Bordstein begrenzt werde, da ein Radfahrer in diesem Fall nicht dazu verleitet werde, auf den Radweg zurückfahren zu wollen. Der im streitgegenständlichen Fall vorhandene abrupte Absatz zwischen Radweg und Seitenstreifen stelle eine nicht erkennbare Gefahrensituation dar. Deswegen hätte die Beklagte entweder für ein gleichförmiges Niveau oder für eine Kenntlichmachung der Gefahrenstelle sorgen müssen.

Sie beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein vorläufiges Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 30.000,00 EUR zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 29.948,58 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche materielle und immaterielle Schäden aus dem Unfallereignis vom 27.04.2018, 01:00 Uhr, auf dem Rad- und Fußgängerweg an der Aa-Umflut zwischen Wessum und Ahaus, etwa 80 m vor der Straße Ottensteiner Weg, in der Nähe des Aussichtsturms "Am Rodelberg", zu ersetzen;

4. die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.348,94 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II. Die Berufung der Klägerin hat nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats. Auch eine mündliche Verhandlung, von der neue entscheidungserhebliche Erkenntnisse nicht zu erwarten sind, ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 S.1 ZPO.

Das Landgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus §§ 839, 249, 253 Abs. 2 BGB, Art. 34 GG i.V.m. §§ 2 Abs. 2 Nr. 1 b, 9, 9a, 47 Abs. 1 StrWG NRW. Die Entscheidung des Landgeric...

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