Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Umgangswunsch der Großeltern mit ihren halbverwaisten Enkeln besteht keine Vermutung für eine Kindeswohldienlichkeit solcher Kontakte, wenn der verbliebene (verwitwete) Elternteil diese bei konflikthafter Vorgeschichte ablehnt.
2. Ein erneuter Erörterungstermin im Beschwerdeverfahren lässt nicht schon deshalb i.S.v. § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG neue Erkenntnisse erwarten, weil er für die weiteren Beteiligten eine "Pflicht begründet, sich mit dem abweichenden Standpunkt des Beschwerdeführers auseinander zu setzen".
Verfahrensgang
AG Lemgo (Aktenzeichen 7 F 18/23) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin vom 30.05.2023 gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Lemgo vom 08.05.2023 (7 F 18/23) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Antragstellerin zur Last.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Aus der Ehe der Antragsgegnerin mit dem Sohn der Antragstellerin sind die Kinder V., geboren am 00.00.2012, N., geboren am 00.00.2013, P., geboren am 00.00.2015, und H., geboren am 00.00.2017, hervorgegangen.
Bis 2019 fanden zwischen der Antragstellerin und den Enkelkindern regelmäßig jeden Freitag Umgangskontakte statt. Danach verschlechterte sich das Verhältnis zu den Kindeseltern und es gab nur noch sporadische Kontakte.
Im Mai 2022 trennten sich die Kindeseltern und die Kinder verblieben im Haushalt der Antragsgegnerin.
Der Kindesvater verstarb am 00.00.2022.
Die Antragstellerin hat erstinstanzlich vor dem Amtsgericht Lemgo beantragt,
den persönlichen Umgang mit ihren Enkelkindern in der Weise zu regeln, dass sie die Kinder an jedem ersten Wochenende im Monat von freitags 16:00 Uhr bis sonntags 18:00 Uhr und in den beiden ersten Wochen der nordrhein-westfälischen Sommerferien zu sich nehmen darf.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Das Amtsgericht -Familiengericht- Lemgo hat die Kindesmutter, die Großmutter, die Vertreterin des Kreisjugendamt A. und die Verfahrensbeiständin am 23.03.2023 und die Kinder am 04.04.2023 persönlich angehört. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anhörungsvermerke vom 23.03.2023 (Bl. 102ff d. A.) und vom 04.04.2023 (Bl. 124ff d. A.) Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 08.05.2023 hat das Amtsgericht Lemgo sodann den Antrag der Großmutter auf Regelung des Umgangsrechts mit ihren Enkelkindern unter Hinweis auf die mangelnde Kindeswohldienlichkeit der Umgangskontakte zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, der Umgang mit der Antragstellerin diene nicht dem Kindeswohl, da das Verhältnis der Parteien so zerstritten sei, dass die Kinder bei einem Umgangskontakt in einen Loyalitätskonflikt gerieten. Es bestünde keine gefestigte Beziehung zu der Großmutter, da es seit Jahren allenfalls sporadische Kontakte gegeben habe. Die Kindesmutter lehne die Antragstellerin als Person und Umgangskontakte ab.
Gegen diesen Beschluss, der ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 08.05.2023 zugestellt worden ist, wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde vom 30.05.2023.
Sie beschränkt ihren Umgangsantrag und begründet ihr Rechtsmittel damit, dass die Kinder positive Erinnerungen an sie hätten und neben einer sozial-familiären Beziehung auch eine tragfähige Bindung bestehe. Zwar sei es vor dem Versterben des Kindesvaters aufgrund persönlicher Schwierigkeiten auf verschiedenen Ebenen zu einem weitreichenden Kontaktverlust der Beteiligten gekommen, allerdings sei die Beschwerdeführerin ggf. auch mit Hilfe professionelle Dritter zu einer Kommunikation und Annäherung mit der Kindesmutter bereit.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts Lemgo abzuändern und die Umgangskontakte in der Weise zu regeln, dass sie ihre Enkelkinder
1) einmal pro Quartal am Wochenende sonntags für insgesamt drei Stunden,
2) zusätzlich an den Geburtstagen, ersatzweise am auf den Geburtstag folgenden Sonntag für drei Stunden und
3) zu Ostern und Weihnachten jeweils an einem der Feiertage für vier Stunden, ersatzweise am darauffolgenden Sonntag zu sich nehmen kann.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verweist auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung. Das Verhältnis zu ihrer Schwiegermutter sei völlig zerstritten. Umgangskontakte würden zu einem massiven Loyalitätskonflikt der Kinder und damit zu einer Kindeswohlgefährdung führen. Aufgrund der nur sporadischen Kontakte in den letzten Jahren bestünde keine enge Beziehung der Antragstellerin zu ihren Enkelkindern.
Mit Bericht vom 26.06.2023 hat das Kreisjugendamt A. und mit Bericht vom 15.06.2023 die Verfahrensbeiständin im Beschwerdeverfahren Stellung genommen.
Auf den Hinweis des Senates vom 10.07.2023 zu der beabsichtigten Entscheidung im schriftlichen Verfahren haben Antragstellerin und Antragsgegnerin ergänzend schriftsätzlich vorgetragen.
II. 1.) Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft (§ 58 Abs. 1 FamFG) sowie for...