Leitsatz (amtlich)
Bei der Frage, ob und inwieweit sich ein Student überobligatorische Nebeneinkünfte auf seinen Unterhaltsbedarf gegenüber einem Elternteil anrechnen lassen muss, kann es im Rahmen der Billigkeitsabwägung entsprechend § 1577 Abs. 2 S. 2 BGB (vgl. BGH FamRZ 1995, 475, Juris-Rz. 30 ff.) einen für die Anrechnung sprechenden Gesichtspunkt darstellen, wenn der Student noch zuhause (= bei dem anderen Elternteil) wohnt und dadurch einen im Zweifel geringeren Lebenshaltungsaufwand hat als ein Student mit eigenem Studienortwohnsitz, sein Bedarfssatz nach der Düsseldorfer Tabelle aufgrund der hohen maßgeblichen Einkommensgruppe jedoch höher ist als der Regelsatz von 670 EUR für einen auswärts wohnenden Studenten.
Zum Sachverhalt: Der 21 Jahre alte Ast. ist Student im dritten Semester und lebt im Haushalt seiner Mutter. Er nimmt den Ag., seinen von der Mutter geschiedenen Vater, auf Unterhalt in Anspruch. Streitig ist u.a., ob und ggf. in welcher Höhe er sich ein Nebeneinkommen von ca. 300 EUR monatlich aus einer Aushilfstätigkeit in einem Supermarkt auf seinen Unterhaltsbedarf anrechnen lassen muss, der sich aufgrund der zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile nach Einkommensgruppe 10 (2011) bzw. 9 (2012) der Düsseldorfer Tabelle bemisst. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das FamG den Ag. zu monatlichen Unterhaltszahlungen von 397 EUR (2011) bzw. 364 EUR (2012) verpflichtet und dabei eine Anrechnung des Nebenverdienstes abgelehnt. Die Beschwerde des Ag. hatte teilweise Erfolg, wobei der Senat im Ergebnis eine Anrechnung zu einem Drittel vorgenommen hat.
Normenkette
BGB § 1577 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
AG Detmold (Beschluss vom 25.05.2012; Aktenzeichen 30 F 758/11) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels - der am 25.5.2012 verkündete Beschluss des AG - Familiengericht - Detmold teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Antragsgegner wird in Abänderung der notariellen Urkunde vom 29.4.2004 (UR.-Nr. 46/2004 des Notars L in C) verpflichtet, an den Antragsteller für September bis Dezember 2011 einen monatlichen Unterhalt von 326 EUR, für Januar bis September 2012 einen monatlichen Unterhalt von 276 EUR und ab Oktober 2012 einen monatlichen Unterhalt von 297 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Der Widerantrag wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben beide Beteiligten jeweils 50 % zu tragen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsteller zu 41 % und dem Antragsgegner zu 59 % auferlegt.
Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.
Gründe
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
Dem Grunde nach verbleibt es dabei, dass die vollstreckbare notarielle Urkunde vom 29.4.2004 gem. § 239 FamFG zugunsten des Antragstellers abzuändern ist. Der ihm gegen den Antragsgegner zustehende Anspruch auf Kindesunterhalt gem. § 1601 BGB hat sich gegenüber den in der Urkunde titulierten 227 EUR infolge ver-änderter Umstände erhöht. Das Recht auf Abänderung steht dem Antragsteller auch selbst zu, nachdem die vollstreckbare Urkunde zwar ursprünglich durch seine Mutter begründet, nach Eintritt seiner Volljährigkeit dann aber durch titelübertragende Voll-streckungsklausel (§ 727 i.V.m. §§ 795 S. 1, 797 Abs. 2 S. 1 ZPO) auf ihn umge-schrieben worden ist.
Die Abänderung hat jedoch in geringerem als dem vom AG festgesetzten Umfang zu erfolgen.
1. Der monatliche Unterhaltsbedarf des volljährigen, noch bei einem der beiden unter-haltspflichtigen Elternteile wohnhaften Antragstellers belief sich im Jahre 2011 unter Anrechnung des Kindergeldes auf 597 EUR, weil das anrechenbare Monatseinkommen beider Eltern zusammen 5.065 EUR betrug (Einkommensgruppe 10/Altersstufe 4 der Düsseldorfer Tabelle; Leitlinien des OLG Hamm zum Unterhaltsrecht, Rz. 13.1.1):
a) Das anrechenbare Monatseinkommen der Mutter des Antragstellers ist mit ca. 1.997 EUR Erwerbseinkommen + 135 EUR Unter-haltsleistung des Antragsgegners = 2.132 EUR unstreitig.
b) Das anrechenbare Monatseinkommen des Antragsgegners im Jahre 2011 betrug ca. 2.933 EUR, die sich wie folgt errechnen:
aa) Das Netto-Erwerbseinkommen aus der Tätigkeit als Polizeibeamter belief sich lt. der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung des Landesamts für Besoldung und Versorgung vom 1.1.2012 auf (52.705,24 EUR./. 8.349,35 EUR./. 259,22 EUR): 12 = 3.674,72 EUR. Dabei ist die jeweils tatsächlich angewandte Lohnsteuerklasse, d.h. auch der schon zum 1.12.2011 erfolgte Wechsel in die Steuerklasse 4, bereits be-rücksichtigt. Dieser Wechsel ist als solcher - wie es seitens des Antragstellers im Übrigen in der Beschwerdeinstanz auch hingenommen wird - angesichts der Wie-derverheiratung des Antragsgegners und des Mitverdienstes dessen neuer Ehefrau nicht zu beanstanden.
bb) Hinzu kommt der Wohnwert des Eigenheimes W-Straße in E, das dem Antragsgegner und seiner jetzigen Frau zu hälftigem Miteigentum gehört. Er ist un-streitig mit ½ von ...