Leitsatz (amtlich)
›1. Zur Beurteilung eines Schwurgerichtsverfahrens als "besonders schwierig" und/oder "besonders umfangreich".
2. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass die vom Pflichtverteidiger aufgewendeten Fahrtzeiten, um vom Sitz seiner Kanzlei zum Gerichtsort zu gelangen, zwar nicht bei der Frage, ob dem Pflichtverteidiger überhaupt eine Pauschvergütung zugebilligt werden soll, aber bei der Bemessung einer aus anderen Gründen zu gewährenden Pauschvergütung zu berücksichtigen ist.‹
Gründe
I.
Dem ehemaligen Angeklagten wurde im vorliegenden Verfahren zur Last gelegt, am 12. Juli 1983 die K.O. ermordet zu haben. Er ist deswegen vom Schwurgericht durch Urteil des Landgerichts Münster vom 09. Dezember 2002 zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Revision des ehemaligen Angeklagten hat der BGH inzwischen als unbegründet verworfen.
Der Antragsteller war dem ehemaligen Angeklagten während des Verfahrens als Pflichtverteidiger beigeordnet. Er beantragt nunmehr für seine für den ehemaligen Angeklagten im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung erbrachten Tätigkeiten die Gewährung einer Pauschvergütung, die er im Wesentlichen mit folgenden Tätigkeiten begründet:
Er hat im Vorverfahren einige Schreiben und Anträge verfasst und hat Einsicht in die rund 2.500 Seiten starke Akte genommen. Er hat außerdem an einem Besprechungstermin bei der Polizei in Münster, an einem weiteren Besprechungstermin bei der Staatsanwaltschaft in Münster teilgenommen und am 18. September 2003 den Tatort besichtigt. Außerdem hat er den ehemaligen Angeklagten vier Mal in der Justizvollzugsanstalt Münster besucht. Die Besuche haben jeweils zwischen vier und acht Stunden gedauert.
Er hat außerdem an der Hauptverhandlung, die in der Zeit vom 5. November 2002 bis zum 9. Dezember 2002 an insgesamt 7 Hauptverhandlungstagen statt gefunden hat, teilgenommen. Einmal waren in einer Kalenderwoche drei Termine terminiert, im Übrigen hat wöchentlich ein Termin stattgefunden. Die durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine hat 5 Stunden betragen. Von den sieben Terminen haben zwei mehr als 7 Stunden, einer mehr als 6 Stunden, zwei mehr als 5 Stunden und zwei weniger als 2 Stunden gedauert. In der Beweisaufnahme sind 15 Zeugen und drei Sachverständige vernommen worden. Das landgerichtliche Urteil umfasst 37 Seiten.
Wegen des weiteren Umfangs der Inanspruchnahme und der von dem Antragsteller für seinen Mandanten erbrachten Tätigkeiten wird auf die dem Antragsteller bekannt gemachte Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 vom 19. September 2003 Bezug genommen.
Die gesetzlichen (Pflichtverteidiger-)Gebühren des Antragstellers betragen 2.850 EURO; die Wahlverteidigerhöchstgebühr beträgt 7.150 EURO. Der Antragsteller hat die Gewährung einer Pauschvergütung in Höhe von 8.010 EURO beantragt. Der Vorsitzende des Schwurgerichts hat das Verfahren als nicht "besonders schwierig" angesehen. Der Vertreter der Staatskasse hat sich dem angeschlossen. Er sieht das Verfahren allerdings als besonders umfangreich an und hat demgemäss die Gewährung einer angemessenen Pauschvergütung befürwortet.
II.
Dem Antragsteller war nach § 99 BRAGO eine Pauschvergütung zu bewilligen.
1. Das Verfahren war allerdings nicht "besonders schwierig" im Sinne von § 99 Abs. 1 BRAGO. "Besonders schwierig" im Sinne des § 99 Abs. 1 BRAGO ist ein Verfahren, das aus besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen über das Normalmaß hinaus erheblich verwickelt ist (vgl. dazu Burhoff StraFo 1999, 261, 264). Das ist vorliegend nach Einschätzung des Senats noch nicht der Fall. Insoweit schließt sich der Senat der Einschätzung des Vorsitzenden des Schwurgerichts an (vgl. dazu grundlegend Senat in AnwBl. 1998, 416 = ZAP EN-Nr. 609/98 = AGS 1998, 104 und Senat in JurBüro 1999, 194 = AGS 1999, 104 = AnwBl. 2000, 56). Auch der Umstand, dass der ehemalige Angeklagte, der grundsätzlich geständig war, Frau O. getötet zu haben, hinsichtlich seiner Beweggründe unterschiedliche Darstellungen abgegeben hat, macht das Verfahren nicht "besonders schwierig" im Sinne von § 99 Abs. 1 BRAGO. Der Senat hat bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass in Schwurgerichtsverfahren der Gesetzgeber dem besonderen, im Vergleich zu anderen Verfahren vor der Strafkammer in der Regel höheren, Schwierigkeitsgrad schon dadurch Rechnung getragen hat, dass der Verteidiger höhere (gesetzliche) Gebühren erhält als in "normalen" Strafkammerverfahren (vgl. dazu u.a. Senat in StraFo 2000, 286 = ZAP EN-Nr. 557/2000 = AnwBl. 2001, 246; zuletzt Senat in AGS 2003, 257). Demgemäss führen Schwierigkeiten, die in anderen Verfahren zur Bejahung des Merkmals der "besonderen Schwierigkeit" herangezogen werden können, in diesen Verfahren nicht automatisch auch zur Bejahung dieses Merkmals (zur Einordnung eines Schwurgerichtsverfahrens als besonders schwierig siehe auch noch Senat in ZAP EN-Nr. 393/2002 = Rpfleger 2002, 480). Danach handelt es sich vorliegend noch nicht um ein "besonders schwieriges" Verfahren. Dies ei...