Leitsatz (amtlich)
›Zur Gewährung einer Pauschvergütung fast in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühren‹
Gründe
I.
Gegen die ehemaligen Angeklagten ist seit 1992 ein Verfahren wegen Kapitalanlagenbetruges und Untreue anhängig gewesen. Die Antragsteller sind ihren Mandanten nach Erhebung der Anklage Anfang 1996 neben den jeweiligen Wahlverteidigern beigeordnet worden. Zuvor waren die Antragsteller nicht im Verfahren tätig gewesen.
In ihrer Eigenschaft als Pflichtverteidiger haben die Antragsteller Akteneinsicht in die bis dahin vorhandenen 18 Bände Hauptakten genommen. Sie haben außerdem - teilweise während des Laufs der Hauptverhandlung - die 850 Beweismittelordner eingesehen, die u.a. bei der Staatsanwaltschaft und dem Landgericht deponiert waren.
Die Hauptverhandlung fand an insgesamt 98 Terminen vor der großen Strafkammer - Wirtschaftstrafkammer - des Landgerichts Siegen statt. Die Antragsteller haben in unterschiedlichem Umfang an der Hauptverhandlung teilgenommen, und zwar der Antragsteller zu 1) an 85 Terminen, der Antragsteller zu 2) an 86 Terminen, der Antragsteller zu 3) - unter Berücksichtigung der Teilnahme seines Sozius, der inzwischen seine Ansprüche an den Antragsteller zu 3) abgetreten hat - an 96 Terminen und der Antragsteller zu 4) an 69 Terminen. Die durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine betrug bei allen Antragstellern rund 3 Stunden 30 Minuten. Die Hauptverhandlungstermine waren locker terminiert, und zwar in der Regel jeweils nur ein Termin/Woche. Die Antragsteller sind zu den Hauptverhandlungsterminen jeweils von Köln, Düsseldorf oder Bochum, wo ihre Kanzleien ihren Sitz haben, nach Siegen angereist.
In der Hauptverhandlung sind insgesamt 40 Zeugen, teilweise mehrfach, vernommen worden. Außerdem wurden zahlreiche, teilweise umfangreiche Schriftstücke - Verträge, Protokolle und Berichte - verlesen. Die Antragsteller haben mehrere, zum Teil umfangreiche, (Beweis-)Anträge gestellt.
Neben der Tätigkeit in der Hauptverhandlung haben die Antragsteller nach ihren Angaben an Besprechungen mit den ehemaligen Angeklagten und den Wahlverteidigern teilgenommen. Diese Besprechungen dienten der Vor- und Nachbereitung der jeweiligen Hauptverhandlungstermine.
Gegen das 267 Seiten lange Urteil der Strafkammer haben auch die Antragsteller, mit Ausnahme des Antragstellers zu 4), Revision eingelegt, die sie dann auf 138 bzw. 39 Seiten begründet haben. Sie haben dann auch noch zur Stellungnahme des Generalbundesanwalts Stellung genommen.
Die gesetzlichen Gebühren des Antragstellers zu 1) betragen 33.120 DM, die des Antragstellers zu 2) 33.500 DM, die des Antragstellers zu 3) 37.540 DM und die des Antragstellers zu 4) 26.700 DM. Die Wahlverteidigerhöchstgebühren des Antragstellers zu 1) betragen 67.390 DM, die des Antragstellers zu 2) 68.150 DM, die des Antragstellers zu 3) 76.410 DM und die des Antragstellers zu 4) 53.960 DM. Die Antragsteller zu 1) und 2) haben angemessene Pauschvergütungen beantragt, der Antragsteller zu 3) hat eine Pauschvergütung in Höhe von mindestens 100.000 DM beantragt und der Antragsteller zu 4) eine Pauschvergütung in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühr. Der Vertreter der Staatskasse hat gegen die Gewährung einer angemessenen Pauschvergütung keine Bedenken erhoben, allerdings Pauschvergütungen in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühren als übersetzt angesehen.
II.
Den Antragstellern war gemäß § 99 Abs. 1 BRAGO eine Pauschvergütung zu bewilligen.
1.
Das Verfahren war für die Antragsteller "besonders schwierig" im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO. Der Senat schließt sich insoweit der Einschätzung des mit dem Verfahren befassten Vorsitzenden der Wirtschaftsstrafkammer, der auch der Vertreter der Staatskasse nicht widersprochen hat, an (zur grundsätzlichen Maßgeblichkeit dieser Einschätzung siehe u.a. Senatsbeschluss in 2 (s) Sbd. 5 - 265/97 vom 15. Januar 1998 in AnwBl. 1998, 416 = AGS 1998, 104 = ZAP EN-Nr. 609/98).
2.
Das Verfahren war auch "besonders umfangreich" im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO. Besonders umfangreich ist eine Strafsache nach ständiger Rechtsprechung des Senats, die der einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Literatur entspricht (vgl. z.B. OLG Koblenz NStZ 1988, 371; siehe auch Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 14. Aufl., § 99 Rn. 3), wenn der von dem Verteidiger erbrachte zeitliche Aufwand erheblich über dem Zeitaufwand liegt, den er in einer "normalen" Sache zu erbringen hat. Vergleichsmaßstab sind dabei nur gleichartige Verfahren (OLG Koblenz Rpfleger 1985, 508; OLG München JurBüro 1976, 638 = MDR 1976, 689), vorliegend also Verfahren vor der (Wirtschafts)Strafkammer (vgl. auch Senat in NStZ-RR 1998, 254 = StraFo 1998, 321, 356 = AGS 1998, 140 = StV 1998, 619; Senat in ZAP EN-Nr. 461/2000 = StV 2000, 443 (Ls.) = StraFo 2000, 285 = NStZ 2000, 555; und die weiteren Nachweise aus der Rechtsprechung des Senats bei Burhoff StraFo 1999, 261 ff.).
Legt man diesen Maßstab hier zugrunde hat es sich - auch für ein Wirtschaftsstrafverfahren - um ein "besonders umfangreiche...