Leitsatz (amtlich)
1.) In einem Prozess auf Zahlung von Krankentagegeld ist es die Aufgabe des Gerichts, auf der Grundlage der von einem Sachverständigen ermittelten Befunde eigenständig zu bewerten, ob der Versicherte arbeitsunfähig i.S.v. § 1 Abs. 3 MB/KT 1994 war. Ob der Sachverständige in seiner Bewertung von einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit ausgeht, ist für das Gericht nicht entscheidend.
2.) Ein Versicherungsvertreter im Außendienst ist nicht vollständig arbeitsunfähig i.S.v. § 1 Abs. 3 MB/KT, wenn er zwei bis drei Kundentermine pro Tag wahrnehmen kann sowie seine etwa halbstündige Bürotätigkeit ausüben kann.
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 08.10.2010; Aktenzeichen 1 O 84/07) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gegen das Urteil des LG Bielefeld vom 8.10.2010 (1 O 84/07) wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des LG Bielefeld vom 8.10.2010 war abzulehnen, weil das beabsichtigte Rechtsmittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 114 Satz 1 ZPO bietet.
1. In ihrer Entscheidung hat die Einzelrichterin zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt, dass der Kläger den Nachweis seiner Arbeitsunfähigkeit im Sinne der vereinbarten MB/KT 94 nicht habe führen können. Nach § 1 Abs. 3 der Bedingungen liege Arbeitsunfähigkeit nur dann vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise habe ausüben können, sie auch nicht ausgeübt habe und keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Es komme darauf an, ob der Versicherte keinerlei wertschöpfende Tätigkeit habe ausüben können, so dass schon die Möglichkeit zur Ausübung in einem nicht völlig unbedeutenden Umfang schade. Bei dem Kläger bestehe zwar seit längerer Zeit eine Gonarthrose (= degenerative Erkrankung des Kniegelenks), die auch dazu geführt habe, dass er zwischenzeitlich nicht mehr erwerbstätig sein könne, für den Zeitraum zwischen März 2005 und Januar 2008 könne dies aber gerade nicht festgestellt werden. Nach dem eingeholten Gutachten des Dr. med. K sei vielmehr davon auszugehen, dass dem Kläger als selbständigen Versicherungskaufmann im Außendienst eine Schreibtischarbeit in geschützten Räumen inklusive gelegentlichen Positionswechseln und die Wahrnehmung von zwei bis drei Außenterminen möglich gewesen sei. Insofern wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe (S. 5 - 7 des angefochtenen Urteils, Bl. 268 bis 270 der Akte) Bezug genommen.
2. Konkrete Anhaltspunkte i.S.v. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der vom LG vorgenommenen Tatsachenfeststellung begründen könnten, sind demgegenüber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
2.1. Der Kläger hat nunmehr darauf hingewiesen, dass der Sachverständige auf S. 29 seines Gutachtens vom 8.12.2008 ebenso wie auf S. 8 seines Gutachtens vom 9.12.2009 zu dem Ergebnis gekommen sei, dass er - der Kläger - in den betreffenden Zeiträumen zu 100 % arbeitsunfähig gewesen sei. Dies habe der Sachverständige bei der Erläuterung seines Gutachtens in der mündlichen Verhandlung zwar insofern eingeschränkt, als dass dem Kläger eine Schreibtischtätigkeit und der Besuch von zwei bis drei Kunden möglich gewesen seien. Diese ärztliche Einschätzung sei allerdings nicht zutreffend.
Dieser Vortrag gibt dem Senat indes keine Veranlassung, ein weiteres Gutachten einzuholen. Der Sachverständige, gegen dessen Sachkunde irgendwelche Bedenken weder vorgebracht noch sonst ersichtlich sind, hat den Kläger nämlich am 8.11.2008 selbst untersucht und bei seiner Bewertung auch die zeitnah erhobenen Befunde der verschiedenen Behandler und anderer (auch gerichtlich bestellter) Gutachter einbezogen (s. dazu die Liste der dem Gutachter damals vorliegenden Befunde auf den Seiten 3 und 4 seines Gutachtens, Bl. 115 f. sowie die Seiten 19 ff., Bl. 131 ff. der Akte). Daneben hat er sich mit den von den Parteien dazu vorgebrachten Anmerkungen und Anregungen in seinem schriftlichen Ergänzungsgutachten vom 9.12.2009 (Bl. 196 ff.) sowie in der mündlichen Anhörung durch das LG am 8.9.2010 (Prot. Bl. 247 f.) auseinandergesetzt.
2.2. Der Kläger ist daneben der Ansicht, dass selbst dann, wenn er zwei bis drei Außentermine habe wahrnehmen können, dies seiner Arbeitsunfähigkeit nicht entgegen stehe, weil darin keine wertschöpfende Tätigkeit habe liegen können.
Zu Recht ist indes das LG der Auffassung gewesen, dass Voraussetzung für die Zahlung von Krankentagegeld gem. § 1 Abs. 3 MB/KT 1994 die vollständige Arbeitsunfähigkeit ist, die der Versicherte darlegen und beweisen muss. Dabei bemisst sich die Arbeitsunfähigkeit, wie das LG zu Recht ausgeführt hat, nach der bisherigen Art der Berufsausübung (s. dazu BGH, Urt. v. 20.5.2009 - IV ZR 274/06, MDR 2009, 982 = juris Tz. 11). Danach...