Leitsatz (amtlich)
Das erweiterte Schonvermögen nach § 1836c Nr. 2 BGB a.F. i.V.m. § 88 Abs. 3 S. 3 BSHG ist auf die im Wege des Rückgriffs nach § 1836e BGB geltend gemachten Auslagenpauschalen bzw. Betreuervergütungen aus Zeiträumen vor dem 1.1.2005 weiterhin anzuwenden. Dies ergibt sich aus einer Auslegung der Übergangsvorschriften unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Rahmens.
Normenkette
BGB §§ 1836e, 1836c; FGG § 56g; SGB XII § 90; BSHG § 88
Verfahrensgang
LG Münster (Beschluss vom 21.07.2005; Aktenzeichen 5 T 546/05) |
AG Ibbenbüren (Aktenzeichen 8-XVII F 80 SH) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des AG vom 25.4.2005 werden aufgehoben.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 2)wurde durch Beschluss vom 5.7.2000 zum Betreuer des Beteiligten zu 1) bestellt. Der an einer Minderbegabung leidende Beteiligte zu 1) ist in den L.-Werkstätten, einer Werkstatt für Behinderte, beschäftigt. Aus seinem Arbeitseinkommen hatte er - bezogen auf den Stichtag 31.12.2004 - einen Betrag von 13.670,02 EUR angespart.
Durch Beschluss vom 8.5.2003 hatte das LG in einem Verfahren zur Festsetzung der Betreuervergütung dahingehend entschieden, dass dem Beteiligten zu 1) gem. § 1836c Nr. 2 BGB i.V.m. § 88 Abs. 3 S. 3 BSHG ein Freibetrag von 23.010 EUR zu verbleiben habe. Infolge dessen wurde die Vergütung des Beteiligten zu 2) für den Zeitraum vom 1.4.2001 bis zum 30.9.2004 i.H.v. 7.050,58 EUR gegen die Staatskasse festgesetzt.
Nachdem durch das Gesetz zur Eingliederung der Sozialhilfe in das Sozialgesetzbuch vom 27.9.2003 zum 1.1.2005 § 1836c Nr. 2 BGB dahingehend geändert worden ist, dass sich der Vermögenseinsatz des Betreuten nunmehr nach § 90 SGB XII richtet, hat das AG auf Anregung des Beteiligten zu 4) durch Beschluss vom 25.4.2005 einen aus seinem Vermögen zu erstattenden Betrag von 7.050,58 EUR gegen den Beteiligten zu 1) festgesetzt. Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte zu 3) sofortige Beschwerde erhoben. Diese hat das LG zurückgewiesen und hierbei die sofortige weitere Beschwerde zugelassen.
II. Die sofortige weitere Beschwerden ist nach den §§ 56g Abs. 5 S. 2, 27, 29 FGG infolge Zulassung durch das LG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.
In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die Entscheidung des mit einer zulässigen Erstbeschwerde befasst gewesenen LG auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs. 1 S. 1 FGG.
Das LG hat die Voraussetzungen eines Regresses gem. § 56g Abs. 1 S. 2 und 3 FGG i.V.m. §§ 1836e, 1836c BGB bejaht. Auf einen erhöhten Freibetrag könne sich der Beteiligte zu 1) nicht mehr berufen, nachdem § 88 Abs. 3 S. 3 BSHG außer Kraft getreten sei. In der Anwendung des nunmehr geltenden § 90 SGB XII auf die bereits vor Inkraftreten dieses Gesetzes übergegangenen Ansprüche liege auch keine unzulässige Rückwirkung.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung letztlich nicht stand.
Nach § 1836e Abs. 1 S. 1 BGB gehen die Ansprüche des Betreuers gegen den Betreuten auf die Staatskasse über, soweit diese den Betreuer wegen seiner Forderungen befriedigt. Die Geltendmachung und Durchsetzung dieses Anspruchs im Verfahren nach § 56g FGG setzt die durch § 1836c BGB definierte Leistungsfähigkeit des Betreuten voraus. Dabei entspricht es mittlerweile gefestigter Auffassung, dass eine nachträgliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse uneingeschränkt zu berücksichtigen ist (Wagenitz in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1836a Rz. 11; Bamberger/Roth/Bettin, BGB, Stand 2005, § 1836e Rz. 3). Unerheblich ist dabei, ob der Betreute später zusätzliches Vermögen erwirbt, oder bereits zur Zeit der Leistung der Staatskasse vorhandene Vermögensgegenstände aufgrund einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ihre Eigenschaft als privilegiertes Vermögen i.S.d. § 90 Abs. 2 SGB XII verliert.
Vorliegend beruht die von den Vorinstanzen angenommene Erweiterung der Regressmöglichkeit der Staatskasse jedoch nicht auf einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, sondern darauf, dass der erweiterte Freibetrag nach § 88 Abs. 3 S. 3 BSHG nicht in die nunmehr geltende Regelung des § 90 Abs. 3 SGB XII übernommen worden ist, auf die § 1836c Nr. 2 BGB in der seit dem 1.1.2005 geltenden Fassung verweist. Eine ausdrückliche Übergangsregelung für Altfälle, also bereits vor dem 1.1.2005 übergegangene Ansprüche enthält das Gesetz zur Eingliederung der Sozialhilfe in das Sozialgesetzbuch vom 27.9.2003 nicht (vgl. Art. 70 des Gesetzes v. 27.9.2003). § 56g Abs. 2 FGG enthält durch die Verweisung auf §§ 120 Abs. 4, 115 Abs. 1 S. 3 ZPO zwar eine Regelung für die die nachträgliche Änderung durch Verordnung festzusetzender Freibeträge, diese beschränkt sich jedoch auf den Einsatz laufenden Einkommens im Gegensatz zu dem hier in Frage stehenden Einsatz des Vermögens.
Im Gegensatz zu den Vorinstanzen hält der Senat jedoch nach dem Zweck der Neuregelung eine Auslegung des Art. 70 des Gesetzes vom 27.9.2003 dahingehend für geboten, dass die Neuregelung, mithin der Wegfall des Freibetrages aus § 88 Abs. 3 S. 3 BSHG, nicht auf solch...