Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßregelvollzug. Fixierung. Richtervorbehalt. Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer. Erledigung. Rechtsbeschwerde. Zulässigkeit. Fortsetzungsfeststellungantrag
Leitsatz (amtlich)
1. Die Rechtsbeschwerde der Maßregelvollzugsanstalt gegen die Zurückweisung des Antrags auf Genehmigung einer Fixierung im Maßregelvollzug ist unzulässig, wenn sich der Antrag noch vor Einlegung der Rechtsbeschwerde erledigt hat.
Dies gilt auch, wenn sich die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung aufdrängen würde, weil die Strafvollstreckungskammer von einer zuvor geäußerten Rechtsauffassung des Senats bewusst abgewichen ist.
2. Der Senat verbleibt bei seiner Auffassung (vgl. Senat, Beschluss vom 20.11.2018, III-1 Vollz(Ws) 391/18), dass in Fällen zukünftig beabsichtigter 5- oder 7-Punkt-Fixierungen im Maßregelvollzug bis zu der angesichts der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung gebotenen Neufassung des § 17 Abs. 3 MRVG NRW in Form der erforderlichen konkreten Ausgestaltung eines Richtervorbehaltes vorläufig in unmittelbarer Anwendung des Art. 104 Abs. 2 S. 4 GG die vorherige Einholung einer richterlichen Entscheidung erforderlich ist und dafür mangels derzeit anderweitiger gesetzlicher Regelung entsprechend der Zuständigkeit im Fall der nachträglichen Anfechtung einer solchen Maßnahme durch den Betroffenen eine Zuständigkeit der kleinen Strafvollstreckungskammern bei den Landgerichten besteht (vgl. auch OLG Saarbrücken, Beschluss vom 02.11.2018 - Vollz (Ws) 16/18 -, juris, a.A. OLG Frankfurt, Beschluss vom 13. November 2018 - 3 Ws 847/18 StVollz -, juris).
Normenkette
GG Art. 104 Abs. 2; MRVG NRW § 17 Abs. 3; StVollzG § 118
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 33a StVK 1278/18) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Betroffenen hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
I.
Die Betroffene ist nach § 63 StGB in der LVR-Klinik E untergebracht. Am 19.12.2018 beantragte die Maßregelvollzugsbehörde, die "gerichtliche Zustimmung zu einer 5- bzw. 7-Punkt-Fixierung im Bett wegen einer voraussichtlichen Dauer über 30 Minuten". Zur Begründung wurde ausgeführt, die Fixierung sei zur Abwehr einer erheblichen Selbstgefährdung und/oder einer Gefährdung besonderer Rechtsgüter anderer erforderlich, denn die Betroffene habe seit dem Vortag mehrfach Waschmittel, Liquid-Nikotin und Shampoo getrunken.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Die Behörde sei bereits nicht antragsberechtigt. Das Strafvollstreckungsgesetz sehe in den §§ 109 ff. keine Möglichkeit für die Vollzugsbehörden vor, sich eine beabsichtigte Maßnahme im Vorhinein gerichtlich genehmigen zu lassen. Die Vorschriften seien auch nicht entsprechend anzuwenden, wobei offenbleiben könne, ob der als Ermächtigungsgrundlage allein in Betracht kommende § 17 Abs. 3 MRVG insoweit gegen das Grundgesetz verstoße, als er keinen Richtervorbehalt für die Anordnung nicht bloß kurzfristiger Fixierungen vorsehe. Selbst wenn Art. 104 Abs. 2 GG unmittelbare Geltung zukomme, fehle es jedenfalls an einer gesetzlichen Zuweisung der Zuständigkeit für derartige Fälle gerade zu den Strafvollstreckungskammern. Diese Zuordnung könne nur der Gesetzgeber bzw. das Bundesverfassungsgericht treffen, der die Kammer aus Gründen der Gesetzesbindung der rechtsprechenden Gewalt nicht vorgreifen dürfe. Die beabsichtigte Freiheitsentziehung sei aber wohl nach § 34 StGB gerechtfertigt.
Die Fixierung wurde gleichwohl durchgeführt und nach einer Mitteilung der Maßregelvollzugsbehörde vom 07.01.2019 am 25.12.2018 um 9:10 Uhr nach 38,42 Stunden beendet.
Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde der Direktorin des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) als untere staatliche Maßregelvollzugsbehörde, die - gestützt auf die Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren - beantragt, die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer aufzuheben und die Zuständigkeit des Landgerichts festzustellen. Angesichts der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.07.2018 (2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16) seien die §§ 109 ff. StVollzG für die richterliche Anordnung von Fixierungsmaßnahmen entsprechend anzuwenden.
Der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug Nordrhein-Westfalen hat sich der Rechtsbeschwerde vollumfänglich angeschlossen.
II.
Die form- und fristgerecht erhobene Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
Zwar drängt sich ihre Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 116 Abs. 1 StVollzG auf, nachdem die Strafvollstreckungskammer der mit Beschluss vom 20.11.2018 in der Sache III-1 Vollz (Ws) 391/18 zum Ausdruck gebrachten Auffassung des Senats nicht gefolgt ist, nach der für die Anordnung von Fixierungen, die absehbar länger als eine halbe Stunde andauern und deshalb als erneute bzw. von der Unterbringungsanordnung nicht gedeckte Freiheitsentziehungen den Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 GG er...